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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 27.1984

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Nr. 4
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Brandes, Jürgen: Latein an Gesamtschulen, [2]
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Eichenseer, Caelestis: Provokatorische Feststellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.33084#0097

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eher LU für sinnvoll gehalten wird, die formal-rechtlichen Bestimmungen der
pädagogischen Notwendigkeit folgen?
Dieses Konzept ist weiterhin ein Abschied von der Vorstellung, daß der LU auf
der Sek. I vor allem die Funktion habe, auf den wahren LU in der Sek. II vorzube-
reiten. Lektürefähigkeit im heute üblichen Verständnis ist nicht Ziel dieses Kur-
ses. Cäsar und Cicero sind nicht mehr das Maß aller Dinge.
Jürgen Brandes, Königsberger Str. 24, 3008 Garbsen 6

Provokatorische Feststellung
«Lateinisch zu sprechen, zu schreiben oder gar zu dichten, ist heute allenfalls eine
gelehrte Spielerei; wir (wer „wir“??) lernen die Alten Sprachen einzig noch, um
die antiken Autoren in der Originalsprache lesen zu können» (MDAV 2/1984).
Diese Äußerung von Dr. Klaus Bartels, Zürich, darf, mögen sich auch noch so
viele damit einverstanden erklären, nicht widerspruchslos hingenommen wer-
den. Selbst auf die Gefahr hin, damit in ein Wespennest zu stechen, woraus
Unangenehmes zu erwarten ist, darf derlei Sicht und Auffassung nicht
unwidersprochen bleiben.
In meisterhafter Sprache - sie erinnert an den Sirenengesang, dem ein Odys-
seus nur schwerlich widerstehen konnte - und in berückender Argumentation
versteht es Bartels, all jenes zu propagieren und als vorbildhaft hinzustellen, was
man heutzutage etwas nüchterner Sprachbetrachtung, Sprachanalyse, Hinter-
grundaufhellung nennt. Daraus wird dann doch noch da und dort abgeleitet, daß
man Latein und Griechisch kennen, ja können sollte (vgl. ebd. 1-5). Anlaß für
letzteren Hinweis bilden in der Hauptsache griechische Philosophie-Begriffe, die
nur schwer oder kaum zu übersetzen sind, als ob es nicht auch im Deutschen, im
Französischen und Englischen und nicht zuletzt im Chinesischen Begriffe gäbe,
die kaum oder fast gar nicht zu übersetzen sind.
Einigermaßen „wohlwollend“ bezeichnet Bartels «Lateinsprechen» und
«Lateinschreiben» als „gelehrte“ Spielerei. Der Nachdruck liegt jedoch wohl weit
mehr auf „Spielerei“ als auf „gelehrt“. Andere gehen weiter und bezeichnen
Bemühungen, Latein auch zu sprechen, als «oberflächliches modern anmuten-
des Lateingeplapper» (AU 4/1972, 41-42). Eberhard Oberg trifft im Zusammen-
hang mit seinen Betrachtungen zur Benützung des Sprachlabors für Latein fol-
gende Feststellung: «In der Tat, eine gewisse Sprechfähigkeit könnte ein Neben-
produkt der Sprachlaborarbeit sein, erfreulich und ganz und gar unverächtlich,
aber eben ein Nebenprodukt» (ebd., 42). Man spürt die Besorgtheit, dem Latein-
sprechen zu viel Gewicht beizumessen.
Viele merken, viele spüren, viele wissen, daß Lateinsprechen und Lateinschrei-
ben, auch wenn es sich um einfache Sätze und einfache Inhalte handelt, oft gar
nicht so einfach ist, sofern echt-lateinischer „color“ angestrebt wird.

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