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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 36.1993

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Nr. 2
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Aktuelle Themen
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Maier, Friedrich: Aktion "Latein 2000" ein guter Erfolg: aber kontroverse Meinungen über das Bild-Motiv
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https://doi.org/10.11588/diglit.35882#0058

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Ob sich das im Jahre 2000 so sehr ändern wird, kann ich nicht sagen.
Vietieicht stellen die vielen Farben auch die verschiedenen Kulturen dar, die vom
Lateinischen beeinflußt wurden.
1 3) Das Prinzip, daß Latein Europa vereint, ist vielleicht in der Sprache und in der Kultur richtig,
und diese Plakataktion wirbt auch ganz gut für Latein. Das Plakat sieht etwas futuristisch aus,
ist aber ein ganz guter Gegensatz und Widerspruch zu dem Klischee, daß Latein eine alte
Sprache ist. Mir gefällt vor allem die bunte Europa und der Stier; sie strahlen etwas Positives
und Kindliches aus, und die bunten Farben könnten auch die verschiedenen Länder und
Kulturen versinnbildlichen, die hier durch Europa und den Stier vereint werden.
Ffier stehen also - wohlgemerkt bei rational reagierenden Oberstufenschülern - befürwortende
und ablehnende Urteile hart gegeneinander; doch die positiven Meinungen überwiegen.
Eine ähnliche Diskussion findet offensichtlich bei den Lehrern an Gymnasium und Universität
statt. Die Gegner des Bildmotivs sehen zu wenig einen Zusammenhang hergestellt zwischen der
Figurenkonstellation und dem Motto LATEIN 2000 ,oder sie stoßen sich an der popartigen
Aufmachung der antiken Gestalten, die ja nicht gemalt, sondern modelliert in dreidimensionaler
Fassung photographiert sind. Auch hier ist aber die Zahl der Befürworter nicht gering. Als
Beispiel für eine positive Aussage sei Prof. Dr. Klaus Sallmann, Universität Mainz, zitiert:
„Das Poster,Latein 2000' fiel mir sofort und angenehm wegen der blauen Grundfarbe mit ruhig-
bewegtem Eindruck in den Blick - und ins Gedächtnis: ich kann es jederzeit dank seiner
Plausibilität geistig reproduzieren, und das wird noch einige Zeit so bleiben. Der erste Eindruck
ist: farbenfrohe Jugendlichkeit, aber nicht Kindlichkeit (dazu ist die Konzentration der grellen
Farben zu partiell); der zweite Eindruck: gemessen-tänzerische Bewegung, die sich sozusagen
im Kreise bewegt und das Bild nicht verläßt, insofern ruhig bleibt wie ein langsamer Tanz.
Genaueres Hinsehen reizt zur Analyse der nur prima vista harmlos-direkten Szene, deren
Attribute - der Sternenkranz, der Stier, die weibliche Gestalt (beides als solche erst nach einigem
Betrachten so benennbar) - auf etwas noch zu Deutendes hinweisen. Die Erkenntnisabfolge war
diese: die gelben Sterne auf blauem Grund -> Europaflagge; der wie ein Mensch tanzende Stier
-> Europamythos der Griechen: also die weibliche, dem Stier zugeordnete Figur -> Europa selbst;
nun auch der Zusammenhang mit der Inschrift LATEIN 2000 -> das von der Antike kommende
Europa wird durch Latein ins nächste Jahrtausend transportiert; als letztes wurde der europäische
Kontinent als Tanzfläche erkannt, sozusagen als Bestätigung der Interpretation. Vielleicht spielt
die «Kleidung)> der Figuren auf die Vielfalt der europäischen Nationalflaggen an?
Was mir gefällt: Die unaufdringliche, fast versteckte Art des Signals «Zeitlose Gegenwart der
Antike)) (ohne eigentliche historische Reminiszenz), die Unbeschwertheit des Hinweises auf das
(sonst so schwer und schwerfällig begründete) Latein, die Dezenz des Symbolwertes «Europa))
in der Kontinuität von der kretischen Sage an bis zur Zeitpolitik: das alle animiert, atmet Frische,
verspricht ein geistiges Erlebnis.
Einziger Kritikpunkt: Die Figur der Europa könnte etwas «lieblicher)) sein (natürlich nicht im
realistischen Sinne) und dann wenigstens ebenso attraktiv wie der Stier. Die blaue Oberlippe
wirkt schnurrbarthaft, das sichtbare Auge wie nach einem Faustschlag. Aber das muß nicht
jedem Betrachter so ergehen."
Wie dem auch sei: Das Plakat hat überall, wo man es sieht, neben dem Werbeeffekt für das Fach
auch dies erreicht, daß man über Latein spricht, über seinen Wert und die Art der angemessenen

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