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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 36.1993

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Munding, Heinz: Zum Problem des labor improbus (Vergil Georg. I/145 f.)
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https://doi.org/10.11588/diglit.35882#0150

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Version hat m.E. den Nachteil, daß die Wiedergabe von /mprobus mit ,,rastlos" (Klingner
„maßlos") Assoziationen aus der modernen Arbeitswelt erzeugt, die offenbar mit Vergil nichts
mehr zu tun haben; die zweite paßt m.E. schlecht zur Gesamt-Intention der Georgica, und es
erscheint mir zudem als sprachlich fragwürdig, ob omnfa vr'c/'f mit „hat in allem die Oberhand
gewonnen" übersetzt werden darf.
Hesiod, in dessen Fußtapfen Vergil ja mit seinem ganzen Gedicht wandelt (vgl. den Bezug auf
das „Ascraeum carmen" in Georg. 11/176), hatte in Erga 311 geschrieben: epyov 5'o*u5ev ovetSoq,
aepyrr) 5c i'ovetSoq. Vielleicht sollte man also einmal überlegen, ob Vergil hier nicht das Wort
/mprobus ganz „wörtlich" verstanden haben könnte: also nicht nur als die Verneinungsform von
probus, sondern auch als die der Verbalwurzel probare; rmprobus wäre dann möglicherweise
zu verstehen als „nicht gebilligt", „nicht anerkannt".^ Und mit dem /abor /mprobus, der doch
letztlich alle von luppiter geschaffenen Schwierigkeiten überwunden hat (vgl. omnfa v(cffl),
hätte Vergil dann sagen wollen, daß Arbeitsfleiß und Erfindergeist, die von Juppiter /n f//o
tempore gewissermaßen provoziert wurden, leider von der Mehrzahl der Menschen zu wen/'g
gewürb/gf werben. Ein ähnliches (leicht ironisches) Bedauern darüber, daß der Bereich der
Arbeit, besonders der ländlichen Arbeit, in der (sc. damaligen) Gesellschaft zu wenig Anerken-
nung findet, scheint mir z.B. auch in dem Wort /ng/obus in Georg. 11/486 mitzuschwingen. Die
Übersetzung des ganzen Verspaares 145/46, zu der ich auf diesem Interpretationsweg gelange,
könnte dann etwa lauten: „Es kam also (insgesamt) zu einer Reihe von mannigfachen
technischen Erfindungen. Der gemeinhin unterschätzte Arbeits- und Erfindergeist, durch
Mängel (an Ressourcen) und sonstige widrige Verhältnisse hervorgelockt, überwand alle
Schwierigkeiten." - Beim letzten und entscheidenden Satz ändere ich hier also lediglich das
parataktische Gefüge Vergils in eine (m.E. für den modernen Leser das Gemeinte noch
deutlicher herausstellende) Elypotaxe; bei „hervorgelockt" stütze ich mich auf das dem Wort
egesfas bei gefügte urgens.
Gewiß kann der heutige Leser Vergils apologetisch-stolze Aufzählung der varfae arfes, hinter der
übrigens sophistische Kulturentstehungstheorien (vielleicht auch Poseidonios) stehen, als
„modern" empfinden. Aber Vergil denkt hier an banbwebbfcbe Fortschritte, die im Verlauf von
fangen Ze/Träumen (beginnend mit Juppiters Eingriff) entstanden sind, und die mit dem
Trommelfeuer von technologischen „Innovationen", die sich heute über uns ergießen, noch
nicht zu vergleichen sind.
Abschließend noch eine Anmerkung zu dem Beitrag von Effe (siehe Anm. 1). Effe bestätigt ja
nicht nur Altevogt, sondern er schafft sich damit auch die Grundlage zu einem Vergleich
zwischen der Vergilstelle und bestimmten Stellen in dem Lehrgedicht des Manilius, aus dem
hervorgeht, daß Manilius hier Vergil zbfert. Ich finde es im Prinzip sehr gut, daß Effe unsere
Aufmerksamkeit auf diese (m.E. unbestreitbare) Tatsache lenkt; denn in der Beobachtung von
„Intertextualität", d.h. der direkten Bezugnahme eines späteren Autors auf einen früheren,
scheint mir in der Klassischen Philologie noch immer Nachholbedarf zu bestehen. Allerdings
meint Effe, daß die Vergilzitate des Manilius eine knbsche Komponente enthielten: Manilius
folge als Stoiker aszenbenfen Kulturentstehungstheorien, während an der Vergilstelle das
Gegenteil sich abzeichne (vgl. dazu nochmal die oben von mir referierte zweite Übersetzungs-
Version). Sollte nun die von m;r vorgeschlagene Deutung der Vergilstelle zutreffen, so wäre klar,
daß dann bei Effe lediglich die Vorzeichen umzukehren wären. Manilius wollte sich dann nicht
mit seinem großen Vorgänger „auseinandersetzen" (Effe S. 397), sondern er wollte an ihn
anknüpfen und ihn allenfalls in seinem Sinne, d.h. im Sinne des astronomischen bzw.

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