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Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen
mit Bärten und Namensschildern ausgestattet waren, Brotscheiben und Wein
gereicht/" Der Autor erklärt dazu, dass der siegreiche König empfangen werde
wie Abraham von Melchisedek, der biblische König von Salem, nach seinem
Sieg über vier Könige (Gen. 14,18).' Bei dieser, dem Sieger zugeeigneten Ge-
ste wurden allerdings beide, Eduard und Johann, mit Gold bestreut. Auf diese
unerwartete Gleichbehandlung der Antagonisten der Schlacht von Poitiers ist
später noch zurück zu kommen.
Eine weitere Station der feierlichen Prozession war die Kathedrale von St.
Paul, wo der Bischof von London den Zug zusammen mit dem Klerus der Stadt
empfing.'" Erst spät wurde der Savoy Palace erreicht, in dem der französi-
sche König unter gebracht werden sollte. Dies war neben der Residenz in West-
minster eines der repräsentativsten Gebäude in London. Der Besitzer, Herzog
Heinrich von Lancaster, hatte hohe Summen für dessen Ausstattung aufgewen-
det und stellte diesen Palast nun dem König von Frankreich zur Verfügung.^
Beim Einzug des Prinzen Eduard und König Johanns von Frankreich in Lon-
don trat die Ambivalenz zwischen der Präsentation eines Gefangenen Königs
und der eines Königs in besonderer Weise hervor. Die Ankunft der Gruppe in
der englischen Hauptstadt wurde wie ein Triumphzug des schwarzen Prinzen
gestaltet, der mit seinen Gefangenen siegreich zurückkehrte. Die Zurschaustel-
lung des besiegten Oberbefehlshabers und eines erheblichen Teils der militä-
rischen Führungsschicht eines Königreichs darf als besonderes Erfolgszeichen
einer Kriegskampagne gelten, die den Ruhm und das Ansehen des Feldherren
zum Ausdruck brachten. Damit knüpfte man an das Bild der Triumphzüge in
der Antike an, was von den Zuschauern auch so gesehen wurde: die zeitgenös-
sischen Chronisten berichten vom Einzug des Siegers von Poitiers.^
Gleichwohl wurde König Johann von Frankreich der englischen Bevölke-
rung nicht als Gefangener oder gar als Kriegsbeute vorgeführt. Im Gegenteil,
denn vieles lässt darauf schließen, dass man versuchte, Johann II. zu beein-
drucken. So galt der hohe Aufwand nicht nur dem einziehenden Triumphator
Eduard, sondern auch dem französischen Monarchen. Nach der Aussage Jean
Froissarts ritt Johann beim Festzug Eduard voran, wodurch zum Ausdruck
kam, dass der französische König nicht im »Gefolge« des Siegers mitgeführt
wurde, sondern ihm als König die Präzedenz vor dem Kronprinzen eingeräumt
16 Der ausführlichere Bericht der Gesta Henrici Quinti, ed./engl. Taylor/Roskell, S. 113, beschreibt,
wie am Kreuz von Chepe ein Triumphbogen in der Form einer Burg errichtet wurde, auf dem
als Engel verkleidete Jungen standen. Diese ließen auf den durchreitenden Heinrich Gold-
münzen und vergoldete Lorbeerblätter rieseln, wobei der liturgische Hymnus des »Te Deum
laudamus« gesungen wurde, dazu: WyuE/WAUGH, Henry Y Bd. 3, S. 262.
17 Eine religiös-biblische Deutung des Gold- und Silberblätterstreuens wird dadurch erhärtet,
dass diese Geste auch im Chester Cycle, einem der vier spätmittelalterlichen Mysterienspiel-
zyklen Englands, beschrieben wurde: ToLMiE, Quia hic Homo multa signa fecit, S. 377f.
18 Anonimalle Chronicle, ed. Galbraith, S. 41; Johannes de Reading, Chronica, ed. Tait, S. 204-
206; Henry Knighton, Chronicle, ed./engl. Martin, S. 150.
19 Es wurde geschätzt, dass Heinrich zwischen 1349 und 1357 etwa 35.000 Pfund für den Sauoy
Pniace aufwendete: SnERBORNE, Aspects of English Court Culture, S. 176.
20 CARDiNi, Art. »Triumph, -zug, Mittelalter«, in: LexMa 8, Sp. 1026f.; MAXWELL, Trionfi terrestri
e marittimi, S. 641-667.
Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen
mit Bärten und Namensschildern ausgestattet waren, Brotscheiben und Wein
gereicht/" Der Autor erklärt dazu, dass der siegreiche König empfangen werde
wie Abraham von Melchisedek, der biblische König von Salem, nach seinem
Sieg über vier Könige (Gen. 14,18).' Bei dieser, dem Sieger zugeeigneten Ge-
ste wurden allerdings beide, Eduard und Johann, mit Gold bestreut. Auf diese
unerwartete Gleichbehandlung der Antagonisten der Schlacht von Poitiers ist
später noch zurück zu kommen.
Eine weitere Station der feierlichen Prozession war die Kathedrale von St.
Paul, wo der Bischof von London den Zug zusammen mit dem Klerus der Stadt
empfing.'" Erst spät wurde der Savoy Palace erreicht, in dem der französi-
sche König unter gebracht werden sollte. Dies war neben der Residenz in West-
minster eines der repräsentativsten Gebäude in London. Der Besitzer, Herzog
Heinrich von Lancaster, hatte hohe Summen für dessen Ausstattung aufgewen-
det und stellte diesen Palast nun dem König von Frankreich zur Verfügung.^
Beim Einzug des Prinzen Eduard und König Johanns von Frankreich in Lon-
don trat die Ambivalenz zwischen der Präsentation eines Gefangenen Königs
und der eines Königs in besonderer Weise hervor. Die Ankunft der Gruppe in
der englischen Hauptstadt wurde wie ein Triumphzug des schwarzen Prinzen
gestaltet, der mit seinen Gefangenen siegreich zurückkehrte. Die Zurschaustel-
lung des besiegten Oberbefehlshabers und eines erheblichen Teils der militä-
rischen Führungsschicht eines Königreichs darf als besonderes Erfolgszeichen
einer Kriegskampagne gelten, die den Ruhm und das Ansehen des Feldherren
zum Ausdruck brachten. Damit knüpfte man an das Bild der Triumphzüge in
der Antike an, was von den Zuschauern auch so gesehen wurde: die zeitgenös-
sischen Chronisten berichten vom Einzug des Siegers von Poitiers.^
Gleichwohl wurde König Johann von Frankreich der englischen Bevölke-
rung nicht als Gefangener oder gar als Kriegsbeute vorgeführt. Im Gegenteil,
denn vieles lässt darauf schließen, dass man versuchte, Johann II. zu beein-
drucken. So galt der hohe Aufwand nicht nur dem einziehenden Triumphator
Eduard, sondern auch dem französischen Monarchen. Nach der Aussage Jean
Froissarts ritt Johann beim Festzug Eduard voran, wodurch zum Ausdruck
kam, dass der französische König nicht im »Gefolge« des Siegers mitgeführt
wurde, sondern ihm als König die Präzedenz vor dem Kronprinzen eingeräumt
16 Der ausführlichere Bericht der Gesta Henrici Quinti, ed./engl. Taylor/Roskell, S. 113, beschreibt,
wie am Kreuz von Chepe ein Triumphbogen in der Form einer Burg errichtet wurde, auf dem
als Engel verkleidete Jungen standen. Diese ließen auf den durchreitenden Heinrich Gold-
münzen und vergoldete Lorbeerblätter rieseln, wobei der liturgische Hymnus des »Te Deum
laudamus« gesungen wurde, dazu: WyuE/WAUGH, Henry Y Bd. 3, S. 262.
17 Eine religiös-biblische Deutung des Gold- und Silberblätterstreuens wird dadurch erhärtet,
dass diese Geste auch im Chester Cycle, einem der vier spätmittelalterlichen Mysterienspiel-
zyklen Englands, beschrieben wurde: ToLMiE, Quia hic Homo multa signa fecit, S. 377f.
18 Anonimalle Chronicle, ed. Galbraith, S. 41; Johannes de Reading, Chronica, ed. Tait, S. 204-
206; Henry Knighton, Chronicle, ed./engl. Martin, S. 150.
19 Es wurde geschätzt, dass Heinrich zwischen 1349 und 1357 etwa 35.000 Pfund für den Sauoy
Pniace aufwendete: SnERBORNE, Aspects of English Court Culture, S. 176.
20 CARDiNi, Art. »Triumph, -zug, Mittelalter«, in: LexMa 8, Sp. 1026f.; MAXWELL, Trionfi terrestri
e marittimi, S. 641-667.