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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0276

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272

Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen

Gesten friedvollen Verhaltens findet man bei nahezu allen Herrschertref-
fen, doch im Rahmen von Friedensschlüssen erfuhren sie ihre ausgeprägteste
Form, wurden funktional am schlüssigsten eingesetzt/' Friedensverträge bil-
deten den positiven Abschluss vorangegangener Verhandlungen. Um dadurch
einen dauerhaften Frieden zu sichern, erforderte es ein besonderes Geschick
der Monarchen, tragfähige Vereinbarungen zu treffen, in die auch ihre Herr-
schaftsverbände mit einbezogen wurden. Solche Friedensschlüsse, die im Rah-
men von Herrschertreffen mit feierlichen Zeremonien gestaltet wurden, gehen
über Abmachungen, die durch Urkunden und Eide gesichert waren, weit hin-
aus und sollen daher unter dem Gesichtspunkt der rituellen Friedensstiftung
gesondert betrachtet werden.
Im diachronen wie geographischen Vergleich soll im Folgenden unter-
sucht werden, wie lokale und biblische Traditionen den Einsatz symbolischer
Gesten bestimmen konnten. Dabei bieten neben der detailliert untersuchten
Begegnung in Troyes weitere vergleichbare Fälle persönlich abgeschlossener
Friedensverträge aus den Jahren 1291 (zwischen Aragon und Kastilien), 1360
(zwischen England und Frankreich), 1364 (zwischen dem Reich bzw. Böhmen
und Ungarn), 1396 (zwischen England und Frankreich) und 1423 (zwischen
Polen und dem Reich) das reichste Material. Gleichwohl gab es noch mehr
persönliche Begegnungen zwischen Monarchen, bei denen Konflikte beige-
legt wurden. Die dabei ausgestellten Vertragswerke enthalten emphatische
Friedensformeln, die als yax bezeichnet wurden. Diese sind allerdings für die
Auswertung zeremonieller Formen nicht signifikant aussagekräftig. Die erheb-
lich größere Anzahl an Friedensverträgen zwischen europäischen Mächten, die
durch Gesandte zustande gebracht und ohne die Gegenwart zweier Könige
abgeschlossen wurde, bleibt im Folgenden unberücksichtigt.

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Nur in Ausnahmefällen wurden Waffenstillstände durch die beteiligten Könige
als Führer der Konfliktparteien selbst geschlossen. Eine Ursache dafür mag der
vorläufige Charakter der zeitlich wie inhaltlich begrenzten Abmachungen für
einen Waffenstillstand gewesen sein.^ Der Hauptgrund dafür war sicherlich

63 Als Rituale des Friedensschlusses im engeren Sinne bezeichnete bereits OFFENSTADT, The
Rituals of Peace during the Civil War die Handlungen und Gesten im französischen Bürger-
krieg 1409-1419.
64 Bei einigen Begegnungen handelte es sich sehr wahrscheinlich um Waffenstillstandsverein-
barungen, was allerdings nicht nachzuweisen ist, soweit chronikalische und urkundliche Be-
lege fehlen. Vgl. die Begegnung im Okt. 1270 in der Nähe von Pressburg von Otakar II. von
Böhmen und Stephan V. von Ungarn, bei dem die Könige persönlich einen Waffenstillstand
für zwei Jahre abschlossen: HoENsen, Premysl Otakar II. von Böhmen, S. 161; KRiSTÖ, Die Ar-
padendynastie, S. 218. Für die Begegnung im Mai 1363 zwischen Kaiser Karl IV. und Ludwig
von Ungarn an der mährisch-ungarischen Grenze (bei Ungarisch-Hradisch) ist kein Doku-
ment erhalten. Dass es sich um einen Waffenstillstand zwischen der Luxemburger Seite und
den ungarisch-habsburgischen Bündnispartnern handelte, der bis zur Lösung durch einen
Schiedsspruch Kasimirs von Polen und Bolkos von Schweidnitz gelten solle, geht aus einem
 
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