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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0322

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318

Teil 1: Spätmittelalterliche Herrschertreffen

GdSDÜMTiySSp/eVaM??! MoTMTldlOl
Am deutlichsten zeigt sich die Relevanz rituellen und formellen Verhaltens
in Situationen, in denen zeremonielles Fehlverhalten zum Anlass genommen
wurde, ursprüngliche Planungen bzw. eine politische Strategie zu ändern. Der
anonyme Chronist von Leoben^ berichtet ausführlich von der Begegnung Kö-
nig Johanns von Böhmen mit König Friedrich von Flabsburg im Oktober 1328,
bei dem ein habsburgisch-luxemburgischer Ausgleich erzielt werden sollte:
Der König von Böhmen ritt Friedrich entgegen, wobei er seinen Hut zog,
um dem Ankommenden seine Ehrerbietung zu bezeugen. Friedrich, der
sein Käppchen langsam ein wenig hob, schien es bei der Begegnung wieder
aufzusetzen. Als das geschah, sah sich König Johann geringgeschätzt und
sagte die Versammlung für jenen Tag ab. Er fügte hinzu, dass er der Sohn
eines Kaisers und [selbst] ein König sei und nicht wüsste, wer von ihnen
beiden dem anderen vorgezogen werden müsse.^
Freilich muss die nicht erwiderte Grußgeste nicht der tatsächliche Grund
für den Abbruch der Begegnung gesehen werden. Es schien dem anonymen
Chronisten allerdings als gerechtfertigter Anlass für den Abbruch der Ver-
handlungen, der ohne kritischen Kommentar Johanns forderndes Verhalten
wiedergibt. Erst bei der zweiten Begegnung empfand sich Johann angemessen
geachtet und ging auf die Verhandlungen ein. Die Verärgerung des Böhmen-
königs über eine vermeintlich falsche Begrüßung beim ersten Mal dürfte umso
stärker ausgefallen sein, als Friedrichs Königtum alles andere als gesichert war.
Seine »Mitkönigsherrschaft« neben Ludwig dem Bayern, die aus den Münch-
ner Verträgen resultierte, war keinesfalls allgemein anerkannt, schon gar nicht
unter den Kurfürsten.^ Jedenfalls wäre damit sein abfälliges Verhalten gegen-
über dem gekrönten Kaisersohn Johann von Böhmen nicht zu rechtfertigen.
Durch das vehemente Bestehen auf standesgemäßer Behandlung zog Johann
das unzureichende formelle Entgegenkommen zur Stärkung seiner Verhand-
lungsposition heran. In diesem Fall konnte er also seine politischen Ziele durch
ein zusätzliches Mittel unterstreichen. Zeremonielles Gebaren erwies sich hier
als aktives Königspotential.
Ein derartiges »Vetorecht des Zeremoniells« wurde von den untersuchten
Monarchen gegenüber anderen Monarchen in politischen Belangen nur äu-
ßerst selten genutzt. Bestimmte öffentliche Gesten waren dazu geeignet, bei

85 Zum Autor: STELZER, Studien zur österreichischen Historiographie im 14. Jahrhundert, Bd. 1:
Die Chronik des Anonymus Leobensis und die Leobener Martins-Chronik, S. 369f.; Winfried
Stelzer unternimmt derzeit eine Neuedition der Chronik des Anonymus Leobiensis.
86 Anonymi Leobiensis chronicon, ed. Pez, Sp. 929: Rex Bode?aora?n in occa?'sa?n Rn'dn'co, defracfo
capacio, Mt reoe?'eniinn? y?ceref, oenienfi p?vcessit.' Rn'drieas, ienfo püeo ad ?nodicnn? eieuafo, oduinfio-
nis oicen? ?*epende?'e oidedafar. Qao JaHo Rex /odannes a?'dit7'ans se confempfan?, pincifi die??! soiuif,
dicens se R?!pe7'afois JidMH! et Regent' nesciens, pais eora??! aiferi esset p?*ae/erendas. 7nfe?'ea secandnn'o
conueniant, adi Dax Odo ??!a7?i/este in Jacien: Regi dixii, dan? fergiuersando daris se daueret et apaisi-
tz's tenacias indaereref.
87 München, 1325 Sept. 5: MGH Const. 6/1, Nr. 105, S. 72; dazu Kap. 1.6., S. 229-232..
 
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