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Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0371

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Einzelelemente bei Herrschertreffen

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lasse gedachtV Der Unterschied der Art der Pferde dürfte für die Zeitgenossen
aussagekräftiger gewesen sein als die Farbe des Pferdes, bestimmte doch der
Typ über die Funktion und Einsetzbarkeit des Reittieres, und somit letztlich
über die Absichten und den finanziellen Spielraum des Reiters. Der Chronist
Froissart gibt die Unterschiede in Farbe und Typ präzise, aber unkommentiert
wieder. Dagegen hebt er hervor, dass das Reittier des französischen Königs
sehr schön gezäumt und geschmückt gewesen sei, was für das Pferd Eduards
nicht erwähnenswert befunden wurde.
So liegt die Vermutung nahe, dass erst durch die unklare Situation des
Jahres 1378, in der zwei gleichermaßen souveräne Herrscher bei einem Fest-
einzug in Paris einritten, die bis dahin weniger erhebliche Farbe des Reittiers
an Aussagekraft gewann. Die Verbindung von »weiß« und »herrschaftlich«
liegt zwar nahe und die Analogie zum Papsttum ist nicht abzuweisen, doch
dürfte es sich hier um eine Zuschreibung des französischen Königs handeln.
Diese wirkte sich im weiteren Verlauf wohl traditionsbildend aus, denn zwölf
Jahre nach dem Einzug Kaiser Karls IV. erachtete man es als zwingend, dem
einziehenden Kaiser von Byzanz einen weißen Zelter zur Verfügung zu stel-
len. ^ Die politische Konstellation hatte sich indes geändert. Kaiser Manuel II.
kam als Bittgänger, der an den europäischen Königshöfen um Unterstützung
für sein Reich ansuchte. Ein derart exotischer Kaiser, dessen vorübergehender
Aufenthalt durchaus dem Prestige des französischen Königs diente, konnte in
zeremoniellen Angelegenheiten sehr wohl entgegenkommend behandelt wer-
den, was im Hinblick auf Hilfszusagen freilich nicht mehr der Fall war. Byzanz
war viel weiter entfernt als das Reich und es hegte keine Kompetenzansprüche
gegenüber Frankreich. So waren die kaiserlichen Machtgesten Karls IV. in Ver-
bindung mit einem weißen Pferd für den französischen König viel brisanter
als im Fall des hilfesuchenden Byzantiners.^ Gerade aber die Energie, die
Karl V. darauf verwendete, seinem Onkel den königlichen Weihnachtsdienst
in Frankreich zu verbieten, das Glockenläuten als Begrüßung eines Herrschers
zu unterbinden und letztlich das ehrenvolle weiße Pferd zu versagen, wirft
ein Licht auf persönliche Gestaltungsräume im Staatszeremoniell, die ausge-
schöpft werden konnten. Wenn sie als konsistent und erfolgreich erachtet wur-
den, konnte daraus ein neues Staatszeichen, das weiße Pferd, hervorgehen. So
vermochte durch ein Herrschertreffen, also die Gegenwart eines auswärtigen
Herrschers, ein möglicherweise unbeachtetes bzw. undokumentiertes Symbol,
das innerhalb der Krondomäne eher Ehrenzeichen war, zu einem bewussten
Herrschaftszeichen werden.

53 Eine ausführiiche Unterscheidung der Pferdetypen aufgrund der Rechnungen Johanns für die
Jahre 1357-1360 bei: Notes et Documents relatifs ä Jean, ed. Duc d'Aumaie, S. 70f.; SMAHEL,
Cesta cisare Karla IV. do Francie, S. 280-286.
54 Chronique du Religieux de Saint-Denys, ed. Bellaguet, Bd. 2, S. 756: Tune inrperafor dadihnn
imperialem ex aldo senco gerens, etpao aido sidi a rege in iiinere odiafo, ef super tönern innc ascendens
agiiifer non dignafns/Meraf pedem ad ferram ponere, msidedai.
55 ANDREEVA, Zur Reise Manuels II. Palaiologos nach Westeuropa, S. 37-47.
 
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