Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schwedler, Gerald; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Herrschertreffen des Spätmittelalters: Formen, Rituale, Wirkungen — Mittelalter-Forschungen, Band 21: Ostfildern, 2008

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34738#0393

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einzelelemente bei Herrschertreffen

389

schneidende, aber zuordenbare Bereiche differenzieren lassen: Küsse im Rah-
men des Begrüßungszeremoniells, im liturgischen Rahmen und als Geste im
Bereich des Rechtslebens. Hingegen wird die Unterscheidung von öffentlich
und privat nicht als untersuchungsleitende Dichotomie vorausgesetzt, da es
gerade auch darum geht, Unterschiede und Überschneidungen königlichen
Auftretens herauszuarbeiten.

Der Kuss z'n der zerenzonz'eden Bcgrii/lMzig
Kam es zu einer Zusammenkunft von Herrschern, so vermerkten Augen-
zeugen genau, welche Geste der Ehrerbietung von wem und zu welchem Zeit-
punkt ausgeführt wurde. Entsprechend wurde darüber von interessierten
Chronisten Buch geführt, wer als erster den Hut zog oder ob dies gleichzeitig
geschah, ob geküsst oder nur die Hand gereicht wurde. So verzeichnet der
österreichische Reimchronist über die Begegnung von König Albrecht und
Philipp dem Schönen von Frankreich im Dezember 1299, die Könige hätten
sich im Grenzgebiet getroffen. Philipp habe als Erster seine Kopfbedeckung ab-
genommen (snrezi fzMof er zrazn), woraufhin Albrecht es ihm gleich getan habe
(sz'ner fMgenf OMcd rzz'f uergaz / er rznm OMdi ad szüew /rMofjü" In anderen Situationen
kam es - nach Aufnahme des Blickkontaktes - zu einem gleichzeitigen Heben
der Hüte, was freilich als Ausweis der Gleichrangigkeit zu deuten ist. So ho-
ben Kaiser Karl IV. und Karl V. von Frankreich im Jahre 1378 ihre Mützen bzw.
Kappen nahezu gleichzeitig, was den französischen König auf dieselbe Stufe
wie den Kaiser stellte." ' Im Falle der Begrüßung von König Richard II. von
England und Karl VI. von Frankreich im Jahre 1396 wurde eine höchst subtile
Art der Abstufung angewendet. Am Tag der ersten Begegnung trug Karl VI.
eine prunkvolle Kopfbedeckung (comHazu pü'cafam z'?i znodMzzi sezTz
während der englische König durch keinen Hut geschmückt war. Folgt man
den Aussagen des Chronisten Michel Pintoin, so nahm Karl seine Kopfbe-
deckung nicht ab. Die Begrüßung konnte dennoch herzlich erfolgen, da der
englische König nach Auskunft des Chronisten an jenem Tag besond ers bemüht
gewesen sei, Karl entgegenzukommen. Bei den anschließenden Gesprächen im
Zelt habe er mehrmals darauf verzichtet, den rechten Thron einzunehmen, um
Karl den Vortritt zu lassen (püzn'es &Mggafa). Anlass für dieses außerordentlich
höfliche Verhalten mochte hier der anstehende Friedensvertrag mit Frankreich
und die bevorstehende Heirat mit der Königstochter Isabella von Valois sein.
Am folgenden Tag wiederholte sich dieselbe feierliche Begrüßungsprozedur,

165 FmjHOFF, The Kiss Sacred and Profane, S. 230-232; zur Verwendung des Begriffs: VON Moos,
Das Öffentliche und das Private im Mittelalter, S. 7f.
166 Ottokars Österreichische Reimchronik, ed. Seemüller, Bd. 2, S. 989, V. 75040-75045.
167 Chronique des regnes de Jean II et de Charles V ed. Delachenal, Bd. 1, S. 217: [...] Ze dd Empe-
reMr osfa so Bnrrefe et son ÜMperon ef nuss; /e Roi.
168 Chronique du Religieux de Saint-Denys, ed. Bellaguet, Bd. 2, S. 458.
 
Annotationen