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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0017

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16

II Hinführung

der Picardie, der Ile-de-Frartce und der Champagne; 1383 gab es dann erneut
Aufstände in Paris, Rouen und anderen Städten.
Verschärft wurden viele Konflikte durch König Karls II. von Navarra, ge-
nannt ,der Böse' (1332-1387). Er erhob ebenfalls Ansprüche auf die französi-
sche Krone, ließ 1354 den französischen ConncfhMc ermorden, galt als Urhe-
ber mehrerer Giftmordanschläge und verbündete sich je nach Opportunität
mit Frankreich, England oder auch aufständischen Pariser Bürgern. Kurzum:
Sein Agieren war für die französische Krone eine ordnungspolitische Kata-
strophe.
Mit der Erkrankung des französischen Königs Karl VI. seit 1392 fiel das
monarchische Zentrum Frankreichs aus. Der regierungsunfähige König hin-
terließ ein Machtvakuum, um das schnell ein Streit entbrannte, der in den
Bürgerkrieg zwischen Armagnacs und Bourguignons (ca. 1405-1435) mün-
den sollte. Neben spektakulären Höhepunkten wie den Morden an Herzog
Ludwig von Orleans (1407) und dem burgundischen Herzog Johann Oh-
nefurcht (1419) brachte der Bürgerkrieg weitere Kriegszüge und plündernde
Soldaten über Frankreich, führte zu Aufständen (1413 in Paris, die sogenann-
ten Ca&oc/neMs) und Massakern an vermeintlichen politischen Gegnern (so
fielen im Juni 1418 in Paris ca. 500 vermeintliche Gegner den Burgundern
zum Opfer, darunter Graf Bernard VII. von Armagnac). Mit dem Ende des
Bürgerkrieges im Jahr 1435, dem Verschwinden der berüchtigten Ecorc/ieurs,
auf eigene Rechnung plündernden, demobilisierten Söldnern, und dem Ver-
ebben des Hundertjährigen Krieges gegen 1450 nahmen auch die Zeitgenos-
sen das Ende einer Krisenzeit wahr.
Dieser kurze Überblick lässt bereits erahnen, dass die Ausübung und Er-
fahrung von Gewalt in dieser Phase der französischen Geschichte sehr prä-
sent gewesen sein muss. Mit Blick auf die Quellen lässt sich zweifellos fest-
stellen, dass Gewalt ein beherrschendes Thema für die Zeitgenossen war:
Man beschrieb sie, hatte Angst vor ihr, warf Gegnern ihre exzessive Aus-
übung vor. Kriege, Morde und Aufstände prägen das Bild, das die Zeit-
genossen von ihrer Zeit zeichneten, so dass sich in den Quellen eine intensive
Diskussion und Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen der Gewalt
nachvollziehen lässt. Begreift man diese schriftliche Präsenz von Gewalt als
Ausdruck der gesellschaftlichen Relevanz, bietet das Beispiel des spätmittel-
alterlichen Frankreich ideale Voraussetzungen, um der Bedeutung von Ge-
walt auf die Spur zu kommen.^
Die vorliegende Arbeit nähert sich dem Thema der mittelalterlichen Gewalt
in drei inhaltlichen Kapiteln. Nach einem Überblick über terminologische
Probleme des Gewaltbegriffs, den Forschungsstand und das der Arbeit zu-

26 Es soll dabei grundsätzlich für die ganze Arbeit betont werden, dass der Fokus auf die Vorstel-
lungsgeschichte der Gewalt keineswegs ihre tatsächlichen, direkten physischen und psychi-
schen Auswirkungen verharmlosen soll. ,Ideale Voraussetzung' ist eine Zeit verstärkter
Gewaltausübung insofern nur für den wissenschaftlichen Bhck des später geborenen Histori-
kers, der selbst das Glück hat, im Frieden zu leben.
 
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