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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0051

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50

III Orientierung

Mit „Violence in medieval Europe" legte Brown 2011 die erste Überblicks-
studie zum Thema mittelalterlicher Gewalt vor. Der umfassende Zugriff auf
das gesamte Mittelalter und der Zuschnitt der Reihe bedingen naturgemäß
den Lehrbuchcharakter des Werkes, das sich vor allem auf exemplarische
Interpretationen einiger als repräsentativ bezeichneter Quellen stützt.'"" Das
Leitthema für Browns tour d'/tonzon ist vor allem der Blick auf konkurrieren-
de Ordnungsansätze und obrigkeitliche Gewaltregulierung. Durch den Hun-
dertjährigen Krieg sieht Brown ältere, wegen des obrigkeitlichen Anspruchs
auf ein Gewaltmonopol schon überwunden geglaubte Verhaltensmuster
erneut im Aufwind. Die Konzentrierung auf den vom Rittertum begeisterten
Chronisten Jean Lroissart als eine Hauptquelle engt die Perspektive aller-
dings stark ein und lässt den ausbrechenden Krieg tatsächlich als das Auf-
bruchssignal für jedweden Kämpfer erscheinen,,große Taten' zu vollbringen,
Ruhm zu gewinnen und Rache üben zu können. Der Krieg, so Brown, habe
dem Adel ermöglicht zu tun, was er immer getan habe, ohne dabei aber den
Zugriff der königlichen Rechtsprechung fürchten zu müssen.'""
Die internationale mediävistische Lorschung hat aus national geprägten
Traditionen heraus in den letzten Jahrzehnten einerseits kulturgeschichtliche
Ansätze für die Erforschung von Gewaltphänomenen wie Kriegen, Lehden
oder Aufständen fruchtbar gemacht, wodurch stärker deren Wirkung auf
den Menschen beziehungsweise ihre narrative Umsetzung durch Chronisten
in den Lokus rückte. Andererseits wurde das Phänomen der Gewalt seit den
1990er Jahren zunehmend als eigenständiges Thema betrachtet. Die Publika-
tionsdaten einschlägiger Veröffentlichungen lassen dabei deutlich die zeithis-
torisch bedingten Konjunkturen der Lorschung erkennen.'"'' Eine Vielzahl
von Sammelbänden führt die Breite und Vielfältigkeit des Themas vor Au-
gen, wirkt mitunter aber aufgrund einer fehlenden konzeptuellen Verklam-
merung inhaltlich disparat. Methodisch wurden verschiedene Zugänge zur
mittelalterlichen Gewalt erprobt, in denen Gewalt einerseits als normaler, ja
stabilisierender Bestandteil der Gesellschaft gedeutet wurde, andererseits als
Indikator für Krisen, die auch den Zeitgenossen problematisch erschienen.
Mit „Violence in medieval Europe" veröffentlichte Brown 2011 die erste lehr-
buchartige Monographie zum Thema der ,Gewalt im Mittelalter'.

103 Das Buch richtet sich vor allem an „undergraduate students, scholars in other fields, and those
outside academia who are interested in these subjects", Brown, Violence, S. IX. Als Haupt-
quellen dienen z. B. Gregor von Tours, karolingische Kapitularien, Thietmar von Merseburg,
der Sachsenspiegel und Jean Froissart; ebd., S. 23. Zur Problematik eines solchen Vorgehens
siehe S. 51 dieser Arbeit.
104 Brown, Violence, S. 266-269 und 280-283.
105 Wirkmächtig waren in dieser Hinsicht vor allem der Irakkrieg von 1990, der Kosovokrieg von
1998 sowie die Terroranschläge in den USA im September 2001.
 
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