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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0059

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58

III Orientierung

schwerpunktmäßig aus historiographischen Texten, Traktaten und Rechts-
quellen zusammensetzt. Auf der Grundlage der bisherigen Forschung wird
davon ausgegangen, dass das Denken über Gewalt kulturspezifisch ist, es
also die eine mittelalterliche Vorstellung von Gewalt nicht gab. Aus diesem
Grund erscheint es sinnvoll, nicht nur den Untersuchungsraum, sondern
auch die Quellenauswahl auf Frankreich zu beschränken, um damit ein zwar
kleineres, aber in diesem Rahmen möglichst geschlossenes Bild der viel-
schichtigen Vorstellungen von Gewalt zu bekommen.
Den größten Teil des Quellenkorpus bildet die Historiographie, die sich ins-
besondere im 15. Jahrhunderts durch eine große Vielfalt an Perspektiven aus-
zeichnet und sich damit als geeignete Grundlage für die Beantwortung der
Fragestellung anbietetA Neben der klassischen Frage nach der historischen
Genauigkeit einzelner Autoren bietet jeder einzelne von ihnen ein spezifi-
sches Narrativ mit eigenen Interessensschwerpunkten, so dass die Vielfalt der
spätmittelalterlichen Chronistik einen guten Blick auf Vorstellungen und
Meinungen ermöglicht A
(1) Als klassischer Kronzeuge wurde bereits Jean FroissarA mit seiner de-
zidiert adlig-höfischen Sicht genannt, dessen Chronik die Zeit von 1307 bis
1400 abdeckt. Er selbst stammte vermutlich aus einer Händlerfamilie, über-
nahm aber in seinem für verschiedene adlige Förderer geschriebenem Werk
deren Perspektive, wenngleich er den Gegensatz zwischen ritterlichen Idealen
und kriegerischer Realität nicht gänzlich überbrücken konnte oder wollte.

43 Hiestand unterscheidet zwischen ritterlicher, klerikaler, intellektueller und offizieller Sicht, Le
Brusque lediglich zwischen ritterlichen und klerikalen Chroniken, Spencer zwischen den semi-
offiziellen CmM&s C/;ron;'^HCS, den sogenannten /oHffm/s Pariser Tradition, ritterlichen Biogra-
phien und den klassischen Chroniken, die er in ritterliche und eher interpretativ-rhetorische
unterteilt; Hiestand, Weh dem Reich, S. 127f.; Le Brusque, Chronicling, S. 82-90; Spencer,
Thomas Basin, S. 198-209.
44 Vgl. Allmand, War and the Non-combatant, S. 256.
43 Geboren 1337 in Valenciennes (wohl in eine Händlerfamilie), gefördert durch verschiedene
adlige Herrn (Philippa von Hennegau, Wenzel, Guy de Blois) die ihm viele Reisen ermöglich-
ten, ab 1383 Kanonikus in Chimay, wo er um 1404 starb. Die erste, vermutlich gereimte Versi-
on seiner Chronik (ca. 1362) ist verloren. Vgl. Ainsworth, Froissart, Jean; Strubel, Jean Froissart;
Ainsworth, Introduction generale [2004]; Ainsworth, Introduction generale [2001]; Diller, In-
troduction [2001]; Ainsworth, Introduction [2001]; Diller, Introduction [1991]; Hoeges, Frois-
sart. Siehe auch Froissart dans sa forge; Actes du colloque international Jehan Froissart; Zink,
Froissart.
Edition: Die Entstehungsgeschichte der Chronik Froissarts ist kompliziert, da er sein Werk in
mehreren Anläufen schrieb und einzelne Bücher selbst erneut überarbeitete, so dass mitunter
mehrere Redaktionen erhalten sind. Am einfachsten zugänglich ist die gekürzte Ausgabe in
der Reihe Lehms gohn'^MCs: Froissart, Chroniques (liv. I & II); Froissart, Chroniques (liv. III &
IV). Die kritische Ausgabe der SHF von Luce et al. ist bisher unvollendet und reicht nur bis
zum dritten Buch (1389): Froissart, Chroniques (SHF). Eine vollständige Edition mit Varianten
anderer Redaktionen bietet Kervyn de Lettenhove: Froissart, Oeuvres. Diller hat zudem zwei
einzelne Textzeugen des ersten Buches gesondert ediert: Das Ms Amiens, eine zwischen 1376
und 1379 überarbeitete Fassung, sowie das Ms Rome, die letzte Redaktion des ersten Buches,
die Froissart gegen Lebensende in Angriff nahm (umfasst die Jahre 1325-1350): Froissart,
Chroniques (Ms Amiens); Froissart, Chroniques (Ms Rome). Zur Uberlieferungsgeschichte sie-
he: Ainsworth, Froissart, Jean; Ainsworth, Jean Froissart; Ainsworth/Diller, Princi pes d'Edition.
 
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