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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0076

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11 Kriegerisch-bejahend

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ner zunächst, ob dieser ein Adliger sei, denn er würde eher sterben als sich
einem Nicht-Adligen zu ergeben. Der Gegner antwortete pflichtschuldig, dass
er sowohl von väterlicher als auch mütterlicher Seite adlig sei A Dieses Stau-
desbewusstsein hatte freilich auch einen ganz utilitaristischen Hintergrund:
Der Verhaltenscodex, der es Adligen gebot, einander nicht zu töten, sondern
sich gegenseitig auf Lösegeld gefangen zu nehmen, galt eben nur für Adlige -
andere Kämpfer sahen sich moralisch keineswegs zur Gefangennahme ver-
pflichtet, weswegen im Kampf die rechtzeitige Suche nach einem anderen
Adligen, dem man sich ergeben konnte, mitunter lebensrettend war7" Der
Rekurs auf die adlige Abstammung, an welche die Praktik des Gefangen-
nehmens gebunden war, diente darüber hinaus auch der gruppeninternen
Distinktion und Hierarchisierung anhand der Würde und Ehrbarkeit der
Familie, der man entstammte. Aus dieser Sicht galt Bertrand du Guesclin, der
als einfacher bretonischer Adliger eine rasante Karriere bis hin zum ConnAffP-
Je erlebt hatte, als Emporkömmling.^ Dass gerade er Krieg gegen den engli-
schen König und seinen Sohn, den , Schwarzen Prinzen', führte, empfanden
diese geradezu als Beleidigung.^
Andererseits konnte neben der ererbten Abstammung die proMessc (Tap-
ferkeit, Heldentum) durch Taten erworben werden. Jean Froissart betonte
bereits in seinem Prolog, dass sich viele Ritter und Knappen stärker durch
ihre Tapferkeit als durch ihre Herkunft ausgezeichnet hätten^ - ein Ansatz,
der in seiner egalitären Denkweise sicher nicht überall auf Zustimmung ge-
stoßen sein mag, sich aber im Spätmittelalter offenbar mehr und mehr durch-
setzte.^ Der so geschürte Drang, sich durch aufsehenerregende Taten einen
Namen zu machen, führte geradezu zwangsläufig zur Entwicklung einer
Eigendynamik: Das Kämpfen wurde gedanklich von seinem ursprünglichen,
defensiven Auftrag gelöst und quasi zum Selbstzweck, die proMessc gleichsam

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de dnme." Pf Prs se rendl le dP cnpfnl. Chronique des quatre premiers Valois, S. 241, siehe auch
ebd., S. 161; Chronique dite de Jean de Venette, S. 282; Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 5,
S. 51f. (1,391). Zum ritterlich-adligen Standesbewusstsein siehe Kaeuper, Chivalry and violence,
S.189-193.
Vgl. Ambühl, Prisoners, bes. S. 19-51, Hay, Collateral Damage, S. 7-9; Schmidtchen, Ius, S. 35-
39; Keen, Laws, S. 157-185. Zur ständischen Exklusivität dieser Regeln: Kaeuper, Civilizing
Process, S. 34; Wright, Knights, S. 7 und 42f.; Schmidtchen, Ius, S. 26f.; Keen, Laws, S. 18f.;
Contamine, Guerre au Moyen Age, S. 415-417 und 461.
ii Zu Bertrand du Guesclin siehe: Vernier, Afterlife; Vernier, Flower; Minois, Du Guesclin; Con-
tamine, Du Guesclin. Siehe ebenfalls Kap. V 3.1, S. 388-395.
ii Dowf P dP roi/ d'AMgPPrre cf soM/llz P prlwce de CnPes nuopMf Pop grn?P despP ^Me MMg Pf dowwe,
slwpp dncdePler, se wicffoP er; nrnwi/e eoMfre eMÜ. Chronique des quatre premiers Valois, S. 171,
siehe auch ebd., S. 177.
ii VoMS ueres ef froMueres ew ee Pure, se uoMS fe P'sles, comme?P pfMsfeMr edeunPer ef escMfer se sowf JnP ef
HUHMefef, pfMS pnr feMr proece ^Me pnr leMr P'MHge. Froissart, Chroniques (liv. I & II), S. 73 (Pro-
logue). Siehe auch The Book of Chivalry, S. 94; Chastellain, Oeuvres, Bd. 1, S. llOf.
i4 Vom selben Geist durchdrungen sind der Lfure de edeunferfe Geoffrois de Charny (um 1356) und
der /oMUCMcef Jean de Bueils (1466), teils auch die Chronik Jean Froissarts; vgl. Brown, Violence,
S. 269f. Siehe dazu auch Muhlberger, Deeds of arms, S. 156-163; Melville, Fleld, S. 260-262.
 
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