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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0096

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31 Obrigkeitlich-zentralisierend

95

wurden die Rufe lauter, dass der König strafen müsset' Erneut wurde ein
Recht auch zur Pflicht: Die (Straf-)Gewalt wurde als königliche Aufgabe be-
trachtet und ihre Ausübung geradezu eingefordert.22
Das Gegenstück dieser theoretisch formulierten Erwartungshaltung lässt
sich im Verantwortungsgefühl königlicher Amtsträger fassen. Die ausführli-
chen Überlieferungen zweier Schreiber am Pariser Parlament, Nicolas de Baye
und Clement de Fauquembergue, geben Auskunft darüber, wie sehr sie sich
in der Verantwortung sahen und sich mit der Stellung des Königtums identi-
fizierten. Nicolas de Baye erschienen die allerorts begangenen Gewalttaten als
„gegen die Rechte und Ehre des Königs, der (...) krank daniederlag"^ gerich-
tet. Hier war also das Pariser Gericht gefordert, das „zur Zeit in diesem Reich
die einzige Zuflucht der Gerechtigkeit ist."^ Auch aus den Mitschriften
Clements de Fauquembergue wird deutlich, dass sich das Parlament in Paris
für die „Beruhigung der Spaltungen und Kriege"^ zuständig sah. Dass meh-
rere Adlige und Städte 1419 einer königlichen Aufforderung, Truppen zu
stellen, nicht nachgekommen waren, war für den Schreiber ein Fall von Un-
gehorsam gegenüber der obrigkeitlichen Autorität A

Herausforderungen & Gefährdungen
Jenseits der positiv für das Königtum formulierten Aufgaben und Ideale
wurden Gewalttaten auch als explizite Gefahr für das Königreich und die
Herrschaft herausgestelltA Gesammelt entsteht so ein ,Schwarzbuch' der
Gewaltformen oder -phänomene, die es aus herrschernaher Sicht zu kontrol-
lieren oder beseitigen galt. Solche Herausforderungen konnten z. B. durch
einzelne Personen bedingt sein, die mit ihrem Handeln oder wegen ihrer Po-
sition das Herrschaftsgefüge beeinträchtigen. Ein gutes Beispiel dafür ist Kö-
nig Karl ,der Böse' von Navarra, der eigene Ansprüche auf den französischen
Thron hegte. Sein Agieren und die folgenden Diskussionen am Pariser Hof
zeigen, wie umsichtig der König reagieren musste. Bereits 1354 hatte Karl von
Navarra den ConnefaMe Charles d'Espagne ermorden lassenA König Jo-
hann II. sann auf Rache, wurde aber von seinen Beratern eines Besseren be-
lehrt: Wegen seiner Allianz mit England sei es zu gefährlich, einen Krieg ge-

21 Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 240; Bd. 2, S. 10; Bd. 5, S. 370; Monstrelet, Chronique, Bd. 1,
S. 169f.; Bd. 4, S. 14f.; Nicolas de Baye, Journal [1885-1888], Bd. 1, S. 112f. Gauvard stellt knapp
und präzise einige theoretische Schriften zu dieser Diskussion vor: Gauvard, Violence et ordre
public, S. 48-52. Siehe auch: Gauvard, Introduction, S. 21-27; Gauvard, Pardonner, S. 44.
22 So auch van Eickels, Gewalt, S. 46. Zu Strafriten siehe Kap. IV.4.3, bes. S. 324—326.
23 Et poMr ee ee esfolf coMfre /cs drolz cf doMMeMr d:r Roi/ (?Mi a cejoMr esfolf encloz cf ep/ermez malade.
Nicolas de Baye, Journal [1885-1888], Bd.l,S. 170.
24 Car cesfe CoMrfe esfolf le seMl rt^Mge dejMsflee tpCo?! pe:rsf de presenf auolr en ce roi/aMme. Ebd., Bd. 1,
S. 245f.
23 PoMr parier J...J de 1'apalsemeMf des diulsloMS ef gMerres esfans en ee roi/aMme. Journal de Fauquem-
bergue, Bd. 1, S. 56; siehe auch S. 20.
26 Ebd., Bd. 1, S. 230.
22 Ansatzweise thematisiert auch Kaeuper diese ,Störfaktoren' aus verschiedenen Perspektiven:
Kaeuper, War, S. 12.
28 Zum Mord an Charles d'Espagne siehe S. 294—296.
 
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