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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0098

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31 Obrigkeitlich-zentralisierend

97

Krieg diese Tat in Zusammenhang stehe, urteilte der königliche Marschall,
das sei bloßer RaubE^
Die Vielzahl der in die Kriege verwickelten Gruppen war aus obrigkeit-
lich-zentralisierender Perspektive ein Anlass zur Beunruhigung, da sie illegi-
tim ausgeübte Gewalt verkörperten. Mit seinen Beschreibungen der desolaten
Sicherheitslage um Paris bietet der Schreiber des Pariser Parlament, Nicolas de
Baye, einen Beleg für das Bemühen königsnaher Personen, Ordnung in die
unübersichtliche Lage im Land zu bringen. Er listete um 1410 einerseits ver-
schiedene Gruppen auf, die im Land unrechtmäßig plünderten („Krieger,
besser Diebe und Plünderer genannt, dann Briganten und Compagnies, die
unterwegs sind, um die besagten Diebe zu treffen und zu berauben, sowie
weitere Diebe und Wegelagerer"^?) und teilte sie andererseits anhand ihrer
geographischen oder politischen Zugehörigkeit in Gruppen („Armagnacs,
Bretonen, Brabanter, Lothringer und Bourguignons"^). Dass solche behelfs-
mäßig erscheinenden Bezeichnungen von obrigkeitlicher Seite sehr wohl
wirkmächtig werden konnten, zeigt das Beispiel der Tnc/nns, einer regionalen
Widerstandsbewegung in der Auvergne (ca. 1363-1390), die sich gegen plün-
dernde Söldner zur Wehr setzte. Zunächst wurden die Tnc/nns von Paris als
antienglische Kraft interpretiert und durchaus wohlwollend betrachtet, bald
aber sprachlich selbst als ,Plünderer' gebrandmarkt. Von da aus war es nur
noch ein kleiner Schritt bis zur ihrer Kriminalisierung und Verfolgung (siehe
dazu S. 273-276)A
Eine weitere Erklärung, warum die kriegerischen Auseinandersetzungen
des Hundertjährigen Kriegs nicht als problematisch angesehen wurden, ist
die Art, wie man die innere Spaltung Frankreichs thematisierte. Thomas Basin
schrieb rückblickend zum Jahr 1475, die Engländer haben zwar Erfolge gegen
Frankreich errungen, dies sei aber nur wegen der Spaltung und Trägheit der
Franzosen möglich gewesen, nicht wegen der Kampfkraft der Engländer.^
Aus dieser Sicht war nicht der Krieg gegen England das Problem, sondern die
Zerstrittenheit der französischen Fürsten. Im Umkehrschluss bedeutet das,
dass Basin davon ausging, ein geeintes Frankreich hätte ohne Schwierigkeiten
einem Krieg gegen England standhalten können. Der Hass der französischen

36 Ei eMiandis i'Arcdepresire priwi MMg edasiei en NormeMdie. Ei tpraMi ie roi/ ie seeMÜ, ii eMuoi/a sow
waresedai Jedan & Ciermoni poMr s^auoir de t?Mei gMerre c'esioii; ei ii iroMua tpre c'esioii aiwsi/ tpre per
iarcdiM, ei ie rapporia aiwsi/ HM roi/. Recits, S. 289.
37 Eg CoMri, poMr Ls grans periiz t?Mi sowi de preseni ei owi Ja esie per ioMies Ls marodes ei paiz de ee
roiaMme dowi Een n'ose uenir a Paris, iani poMr gens d'armes propremeni appeiiez iarrows ei pdLrs, tpre
poMr drigaws ei compaigMes tpd se sowi miz SMS poMr rewcoMirer ei piiier iesdiz iarrows, ei HMires iarrows,
espieurs de cdemins tp;i de present regwewi ei ord cours. Nicolas de Baye, Journal [1885-1888], Bd. 1,
S. 338.
33 Ei par especiai ArmigMHgMes, Breiows, BredaM^OMS, Eorrems ei BoMrgoigMOMS owi ioMi piiie ei emmewe ee
^Me OMi peM emmewer, ei raM^OMMe en grawi desdoMMeMr dM Roi/ ei dM roi/HMme. Ebd., Bd. 1, S. 340.
36 Challet, Mundare et auferre, Bd. 1, S. 12-14.
40 Propier i/Mod Aiigios, i/Mi aiii/MHMdo regMMm PrHMeorMW aggressi, eidem eLdes CHiamÜHiesi/Me uarias
miMierMMi, pociMS od miesiiMH PrHMeorMW discidia seM eorMm igMaoiam, pro iempore, i/Mam armorMm
poieMOM HMi oiridus proprds doc e/Jicere poiMisse pMiamMS. Basin, Louis XI, Bd. 2, S. 244. Ähnlich
argumentierten schon der Bourgeois de Paris 1419 sowie Michel Pintoin 1418: Journal d un
Bourgeois, S. 153 (§ 262); Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 260.
 
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