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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0111

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110

1111 Voraussetzungen

Jahre reichenden historischen Rückgriff hielt der Chronist dem Adel den
Spiegel vor und entlarvte die Zurückweisung der städtischen Schlagkraft als
adligen Standesdünkel.
Die Bevölkerung versuchte, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Michel Pintoin berichtet für das Jahr 1411, wie einige Bauern aus dem Um-
land von Paris wegen der andauernden Plünderungen den Cay/iame von Pa-
ris, Walram III., Graf von St. Pol und Ligny, wiederholt drängten, ihnen einen
Ausfall gegen die Räuber zu erlauben. Walram lehnte dies mit dem Hinweis
ab, dass „halbbewaffnete Leute" gegen geübte Krieger keine Chance hätten.^
Letztlich ließ er doch ca. 400 von ihnen ziehen. Diese wurden jedoch tatsäch-
lich unter großen Verlusten schnell besiegt und machten bei ihrer Rückkehr
dem Grafen wiederum schwere Vorwürfe, dass er ihnen nicht zu Hilfe ge-
kommen sei. Schimpfend warfen sie sein Banner in den Stadtgraben: „Das
Volk wollte sich schon gegen die Großen erheben und schrieb es deren
Kleinmut zu, dass sie es den Feinden erlaubten, das Volk derart zu bedrän-
gen."^ go sehr man sich auch bemühte, sich selbst zu verteidigen, wusste
man doch um den asymmetrischen Charakter eines Kampfes gegen professi-
onelle Krieger - und dass man zur eigenen Verteidigung auf sie angewiesen
war.
In dem Maß, in dem Chronisten die Unerfahrenheit städtischer oder länd-
licher Hilfstruppen betonten/" fühlte sich die Bevölkerung wiederum vom
Adel im Stich gelassen. Der indirekte Verweis auf eine - modern gespro-
chen - arbeitsteilige Gesellschaft taucht immer wieder auf und durchzieht
auch den QuadnZogne nwecfi/*. Das zentrale Argument des personifizierten
,Volkes' in diesem Streitgespräch von Alain Chartier lag darin, dass die jewei-
lige Erfüllung der gesellschaftlichen Aufgaben nicht mehr gegeben sei. Die
Bevölkerung ernähre zwar die hier als träge und faul angesprochenen Adli-
gen, diese aber würden es ihrerseits durch Hunger und Schwert bedrängen."'
Wütend hielt das personifizierte ,Volk' dem Vertreter des Rittertums bei
Chartier entgegen, dass die eigenen Leiden ja erträglich wären, wenn der
„ritterliche Wagemut des Krieges, um den ihr so viel Aufsehen macht"''" die

28 CoMfiomrorMm rf uiriMorMW WMni's popM/arrs srwMrwHh' rommoh, rf (?Ml /oro /HMrrHrMW &HrM7os
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rMW rf HrwMforMm iMrxprrforMm ^MO^Mr roMha rxprrfos HhrM&MS d^rrndcm, /?M0MS^Mr drurgHurnd.
Ebd.,Bd.4,S.512.
29 iMdtyMr rowwMMis popMiMS ;'?! WMjorrs uoLLd iMSMrgrrr, rorMW pMs;7p!MM?u7Hh' Hsrr;7vMirs (?Mod sir sr
i?osh7ws iM^MlrfHÜ prrmPfrLmP Ebd., Bd. 4, S. 514.
20 Froissart, Chroniques (liv. I & II), S. 604 (1,293); Chronique normande de Pierre Cochon, S. 309;
Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 200 und 218; Bd. 4, S. 162, 478, 484; Bd. 5, S. 544—546; Basin,
Charles VII, Bd. 1, S. 202-204.
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/rMrs OMiraigrs dowi ;'r SMls rw wrMdirPr. IL uiurMi & moi/ ri ;'r wrMr poMr rMÜ. Chartier, Quadri-
logue, S. 27.
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srwi /a prrir ri /r dommaigr, /r wirw rw srro;7 p/MS aisir H soMsirMir; wds ioMsJoMrs wd so:^;'r, ^MHMi ;7
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