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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0114

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41 Städtisch-problematisierend

113

Lösegelderpressung. Auch der Handel war durch Wegelagerer gefährdet,
was sich letztlich auch in den Preisen der Waren nieder schlug: Finanzielle
Fragen waren zweifellos ein weiterer, wichtiger Bezugspunkt. Die Städte
mussten durch Steuern für die Kriegszüge aufkommen, so dass finanzielle
Aspekte bei Reflexionen über das Kriegsgeschehen städtischer Chronisten
schnell in den Vordergrund rückten. Angesichts des verzögerten Aufbruchs
einer französischen Armee im Jahr 1386 beklagte etwa Pierre Cochon, dies sei
eine teure Angelegenheit für das Reich, dürfe aber nicht als Vorwand dienen,
neue Steuern zu erheben.^ Mit Blick auf die erfolglosen Kriegszüge hört man
ihn lebhaft seufzen: „So wurde also das Geld der armen Leute ausgegeben."^
Dabei hatte die Bevölkerung offenbar genau im Blick, ob ihr Geld sinnvoll
eingesetzt wurde: Monstrelet berichtet zum Jahr 1406 von Unmut im Volk
und im Adel, da der Herzog von Orleans eine Belagerung abgebrochen und
seine Armee aufgelöst habe, für die man immerhin eine große Steuer erhoben
habe.43 Der Krieg wirkte aber nicht nur durch den Truppenunterhalt als fi-
nanzielle Belastung, sondern auch viel direkter: Der Wein verteuerte sich
nicht nur durch direkte Besteuerung, sondern zusätzlich durch bewaffnete
Eskorten beim Transport, die aufgrund unsicherer Wege nötig wurden.44
Nach Jean Juvenal war die Loyalität zum (französischen) Königtum ein
vorrangiges Kriterium politischer Entscheidungen: Die Bürger von Beauvais
wären lieber gestorben, als sich den Engländern anzuschüeßenA Ob derartige
Zuschreibungen seitens der Chronisten sich mit den Ansichten der Bevölke-
rung gedeckt haben, ist schwer zu beurteilen. Häufig werten Chroniken ein-
zelne Episoden exemplarisch auf beziehungsweise formen sie zur Illustrie-
rung des eigenen Weltbilds um. Bezugspunkt war vermutlich eher die Person
des Herrschers, als die abstrakte Idee eines national angehauchten Reichs:
Michel Pintoin beschreibt, wie Compiegne sich 1414 heftig gegen die Belage-
rung durch das königliche Heer gewehrt habe, jedoch bewusst den Ort im
Heereslager schonte, über dem das königliche Banner wehte.46 Auch die vie-
len Bitt-Prozessionen während der Krankheit Karls VI. oder während könig-

41 Fa^nc/Zc c/?osc /n /res gran/ cons/eewen/ ponr /e roi/anwe de France; mais i/ ynToi/ ancnne
coM/Zenr ponr /euer /es /a/Z/es e/ /es sn/wenc/Zonz e/ ponr essd/Zer /e poure penp/e. Chronique nor-
mande de Pierre Cochon, S. 181.
42 /linsi se despendod /'argen/ dn poure penp/e. Chronique normande de Pierre Cochon, S. 181.
43 Ponr /e^ne/ re/onr, /e penp/e de France e/ anssi p/ns/enrs noF/es, mnrmnreren/ con/re /ni, ponr /an/ (?n'ä
canse de cede arwee on auo// par /on/ /e roi/anwe /eue nne grande /ad/e. Monstrelet, Chronique, Bd. 1,
S. 134.
44 Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 292; Journal d un Bourgeois, S. 149 (§ 261), siehe auch 249f. (§
495); Journal de Fauquembergue, Bd. 1, S. 186. Siehe auch Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 5,
S. 130 (1,426); Chronique normande de Pierre Cochon, S. 257; Journal d un Bourgeois, S. 36 (§
12); Journal de Fauquembergue, Bd. 1, S. 184.
43 Juvenal des Ursins, Ecrits, Bd. 1, S. 317 (Fo^nnr in /r/Fn/ac/one). Für das belagerte Calais im Jahr
1346 betont Pierre Cochon die Loyalität der Stadt: Chronique normande de Pierre Cochon,
S. 70.
46 Chronique du Religieux, Bd. 5, S. 302. Uber die Bewohner von Soissons behauptet Pintoin
anlässlich der Belagerung im selben Jahr das Gegenteil, um die darauf folgende Einnahme der
Stadt zu legitimieren, ebd., S. 318.
 
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