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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0116

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41 Städtisch-problematisierend

115

Gefängnisse auf und ermordeten 500-1000 vermeintliche Armagnacs, weil
man diese bisher nicht angemessen bestraft und manche sogar freigelassen
habe. Die Konfhktlösungsstrategien des Adels, die eben auch darauf zielten,
das Leben des (politischen) Gegners zu schonen, stießen in der Bevölkerung
auf Unverständnis, das in diesem Fall nach einigen Wochen in blanke Wut
umschlug und in einem Massaker endete (siehe dazu Kap. IV.2.2)
Dies ist sicherlich ein extremes Beispiel, aber die Vorstellung, notfalls auch
selbst (im vermeintlichen Interesse des Königs) für Gerechtigkeit sorgen zu
müssen, findet sich in der städtischen Lebenswelt immer wieder. Michel Pin-
toin überliefert, dass die Einwohner von Paris unzufrieden mit der Langsam-
keit der Justiz waren und den juristischen Prozess verkürzen wollten.^ Auch
Etienne Marcel rechtfertigte 1358 den Mord an zwei königlichen Mar Schällen
damit, dass er diese „Verräter" für das Wohl des Reiches getötet habeA In
den Augen der Städter erschienen derartige Taten eher als legitime, stellver-
tretende Justiz denn als illegitime Selbstjustiz: Man erledigte, was der König
versäumte oder woran er gehindert wurde.^ Strafen war untrennbar mit (ak-
zeptierter und geforderter) Gewaltausübung verbunden. Erst durch die öf-
fentliche Strafe wurde das Verbrechen gesühnt, was für das weitere soziale
Zusammenleben unverzichtbar war.^
Kontroverse Meinungen lassen sich in Bezug auf den Krieg ausmachen.
Die dhe de /een de Venehe berichtet anlässlich des Friedens von
Bretigny (1360), das ganze Volk sei von unaussprechlicher Freude ergriffen
worden, außer denjenigen, die während des Krieges großen Profit gemacht
hätten: Waffenschmiede und andere, die sich durch unrechtmäßige Plünde-
rungen auf Kosten anderer bereichert hätten.^ Jenseits der Plünderer wird
hier mit den Waffenschmieden eine städtische Gruppe angesprochen, die
vom Krieg durchaus profitierte. Durch die gemeinsame Nennung mit den
verhassten Plünderern wurden sie deswegen aus der eigentlichen städtischen
Gemeinschaft ausgegrenzt. Der Verweis auf eine mögliche göttliche Strafe
zeigt deutlich das Unbehagen des Chronisten gegenüber Kriegsproßteuren,
seien es Handwerker oder Plünderer. Eine ähnliche Sicht findet sich bei Pierre
Cochon, der betont, auf Wämser und Rüstungen spezialisierte Handwerker

bergue, Bd. 1, S. 149f. Vgl. dazu Slanicka, Feindbilder, S. 102-114; Schnerb, Armagnacs, S. 216-
252.
52 Noc conionii i?ac rosponsiono modosia fdos Hzg. u. BMrgMnd, CMJ, (?Mod anioa/ioroi singMiornm ordinä-
res procossns, oidom uaio diclo promisomMf (?Mod in proximo iiiorMM aFrouiaroni procossns. Chronique
du Religieux, Bd. 6, S. 262.
53 Lonr disi t?no iojäii t?ni auoii osfo auoii osiojäii ponr io Non dM roi/anmo, oi t?no coniz t?ni auoioMf
osio inoz osioionijänix, manuais oi iraisiros. Chronique des regnes, Bd. 1, S. 150, siehe auch S. 153f.
Ähnliche Schilderungen bei Chronique de Richard Lescot, S. 120f.; Gray, Scalacronica, S. 154.
54 Vgl. Wright, Knights, S. 92-95.
55 Siehe dazu S. 324-326 dieser Arbeit.
55 GandoFani onim tynasi omnos oi moriio, oxeopiis Jbrsiian iiiis ^ni in iomporo gnorrarnm oi in Jäciis
oarnm, aiiis pordoniiFns, roporinni magna incra, sieni snni armijacioros, oi aiäyni aiii ^ni rapinas iiiici-
ias oi opora no/aria in iaii iomporo, Doi iimoro posiposiio, CMpiMMi oxorcoro. Chronique dite de Jean de
Venette, S. 238.
 
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