Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0119

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
118

1111 Voraussetzungen

Städte zu schützen, so dass diese im Zweifelsfall auf sich gestellt waren und
mit den eigenen Ressourcen auskommen mussten/^ Oft genug reichten diese
keineswegs für den Schutz der Stadt aus: Als im August 1419 englische Trup-
pen vor Paris waren, klagte der Bourgeois, es gebe keine Ritter von Ruf in der
Stadt, keinen Capthnne außer dem Preoot und dem Preoot des ozardttznds, die
aber vom Krieg nicht viel verstünden/^ Die häufig beschworene Loyalität
fand im Alltag also aus rein pragmatischen Gründen schnell ein Ende. Man
versuchte sich zu arrangieren und durch Verhandlungen mit etwaigen Bela-
gerern das Beste für sich herauszuholen. Aus städtischer Sicht waren Kapitu-
lationen also eine naheliegende Handlungsoption, um der Stadt mutwillige
Zerstörungen und Leid zu ersparen/^ Militärische Standhaftigkeit galt Städ-
ten nicht als Wert an sich. Die Bevölkerung von Limeuil (Dep. Dordogne)
versuchte 1406 zunächst, den französischen Belagerern Widerstand zu leisten,
öffnete diesen dann aber die Tore, da man schon länger Handelsbeziehungen
zu ihnen wünschte/^
Während Chroniken derartige Kapitulationen wegen ihrer Häufigkeit
meist summarisch abhandeln, ist uns für die Verhandlungen von Cahors
(Dep. Lot) mit Jean Chandos, dem Stellvertreter des englischen Königs in
Frankreich, ein genauerer Einblick möglich. Für einen Seitenwechsel verlang-
te Cahors im Januar 1362 unter anderem, dass die Diebe und Plünderer im
Land ohne Begnadigung exemplarisch bestraft werden sollten, dass die Stadt
Schutz vor adligen Privatkriegen genießen sollte, dass kein Bewohner wegen
der allgegenwärtigen Armut seine Güter verlieren sollte und dass die Mörder
und Räuber, die immer wieder Pilger überfielen, bestraft werden sollten/? Im
Zentrum der Wünsche standen damit vor allem die Sicherheit der Wege und
der Schutz der Stadt vor adligen Übergriffen.
Nach dem Versprechen Chandos, diese Forderungen zu erfüllen, war die
Stadt nun ohne weiteres bereit, sich unter englische Oberherrschaft zu stellen:
Sicherheit ging vor Loyalität, Gehorsam war aus Sicht der Bevölkerung nicht
unabänderlich an einen Fürsten gebunden, sondern eher eine temporäre Ver-
einbarung mit dem, der Schutz und Sicherheit bot, oder der sich als der Stär-
kere herausstellte/s Entsprechend wurde Heinrich V. nach dem Vertrag von
Troyes von Pierre Cochon in Rouen pflichtschuldig als „unser neuer Prinz

Contamine, Guerre, Etat et Societe [2005], S. 124-127; Contamine, Armement, S. 59-61.
74 Car ii semtdatt propremewt t?Me toMS s'ep/*MtsseMt deuant Ls Angiais, tp/tis eMssent grande datne a ceMi*
& Parts et dM roi/aMme; rar en re temps n'auatt edeuaiter & renorn d'armes a Parts, nt capttame md,
MOM piMS t?Me te preuot de Parts et eetMt des marcdands, tpd zPauatent pas aeeoMtMme a meMerpdf ^
gMerre. Journal dun Bourgeois, S. 146 (§ 257).
75 Froissart, Chroniques (liv. I & II), S. 602 (1,293); Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 120,148,162-
164.
76 PMMe ad pettetewem twrgeMstMm Mtrtm?Me tnuastcwes prodtdentMr, et tandem eetedrato SMper agendts
eoMsttto, (?Mod MMper ptjectauerant, Mt CMm Gatttets detneeps eewuersart possent ttdertMS, et ex retws ue-
Maittws eommodMm MMtMMM reportare, Gatttets utctorttws tMtrottMM paet/tMM ccwcesserMMt. Chronique
du Religieux, Bd. 3, S. 420-422.
77 Moisant, Prince Noir, S. 197-206.
76 Vgl. dazu Algazi, der sich gegen die Metapher vom Vertrag' zwischen Herren und Abhängi-
gen ausspricht; Algazi, Herrengewalt, S. 92f.
 
Annotationen