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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0120

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41 Städtisch-problematisierend

119

Heinrich" begrüßt.^ Auch die Bauern hätten ihre Abgaben freiwillig an die
Engländer entrichtet, damit sie friedlich ihrer Arbeit nachgehen konnten, so
die OiromtjMe tüfe de JAm de Venehe.so
Als Reaktion auf äußere Herausforderungen war Pragmatismus also in
Stadt und Land das Gebot der Stunde. Die Bevölkerung war dabei allerdings
auch aktiv und griff zur Gewalt, um ihre Interessen zu wahren. Die Durch-
setzung der jMshce wurde bereits als ein solches Grundinteresse benannt, aus
dem heraus immer wieder Aufstände entstanden und vermeintlich Schuldige
öffentlich bestraft wurden. Obwohl das Strafen in französischen Städten ein
Vorrecht der königlichen Amtsträger war, findet sich in Krisen- oder Um-
bruchssituationen dennoch der klare (städtische) Wille, das eigene Geschick
in die Hand zu nehmen.^ Kurz nach der französischen Niederlage bei Azin-
court verjagten die Bewohner von Laon ihre Garnison und schworen, so der
königsnahe Chronist, einen „schrecklichen Schwur, dass sie die Stadt von nun
an selber bewachen und keinen Krieger mehr einlassen würden."^ Auch dies
ist als Ausdruck des Misstrauens zu sehen, zeigt es doch, dass man von der
Garnison eher Schaden als Schutz erwartete. Eine selbständig organisierte
Wache wurde so zu einem Symbol städtischer Eigenständigkeit.^
Da sie der vielen Nachtwachen und der ständigen Angriffe überdrüssig
waren, baten die Bürger von Pontoise 1417 ihre Garnison, die Stadt zu verlas-
sen. Sie verhandelten dann selbst mit den burgundischen Belagerern die
Übergabe der Stadt. Diese hielten sich allerdings nicht an ihr Versprechen, die
Stadt zu schonen, sondern plünderten sie kurz darauf ausN Erneut stießen
verschiedene Handlungsmuster aufeinander, denn vermutlich fühlten sich
die Burgunder gegenüber Städtern nicht an ihr Versprechen gebunden. Ent-
sprechend lässt sich die Klage des ,Volks' im QM%dn?ogMe inrccfi/* verstehen,
dass das Unrecht sich durch Gewalt ins Recht setze^ - der Stärkere sich also
seinen Willen gewaltsam erzwingen konnte.
Doch die Städte erwiesen sich als lernfähig: Zu Ostern 1361 brannten die
Bewohner von Paris Teile ihrer Vororte nieder, damit etwaige Feinde dort

79 Notre MOMueaM princde Heurt/. Chronique normande de Pierre Cochon, S. 284, siehe auch ebd.,
S. 312.
so Pisdew temponPMS WMÜae uüiae eawpestres tarn in Francia (?Mam in Pictauia et TMroMM, Andegauta et
uidewtes a domühs proprds MOM dt^Mde^aMiMr, sed a& inimids perde^aniMr et depraeda-
IwMtMr, eoMÜMMe st;'m:datae per AngFcos, sc eis coMtrdwtarias reddiderMMt, ei sie paeytee manentes, a&
ZHgiieos eoiere terras ei agros SMOS ac uineas wicrisscc SMMt. Chronique dite de Jean de Venette,
S. 218.
si Eine verbreitete Autonomie der Städte wie im römisch-deutschen Reich gab es in Frankreich
nicht. Die flämischen Städte sind hier wegen ihrer besonderen Tradition eine Ausnahme. Zu
Flandern siehe Nicholas, Medieval Flanders, S. 332-345; zu den Städten ebd., S. 370-375 sowie
Derville, Villes.
87 SaeraweMtis terrddidws sese WMiMO astrimrerMMt ei (?Mod uiiiarM per semeiipsos seruantes MMÜMW ex
wiissis pagnatonpHS reeipereni uei wiiieraiis. Chronique du Religieux, Bd. 5, S. 582-584. Siehe auch
ebd., Bd. 6, S. 120. Auch die CaNe/news organisierten 1413 in Paris die Wache selbst; Monstrelet,
Chronique, Bd. 2, S. 351.
so Vgl. Challet, Mundare et auferre, Bd. 1, S. 169-180.
84 Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 114—116.
88 VioieMce se donne droit par /orcc OM eite n'a riens. Chartier, Quadrilogue, S. 48.
 
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