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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0230

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21 Formen kollektiver Gewalt

229

Aufstände galt es also aus der Sicht jener .Oberen' um jeden Preis zu ver-
hindern. Nach Michel Pintoin wusste der noch junge Karl VI. bereits, wie
schnell eine solch ungeordnete Menge vom bloßen Zorn zu tatsächlichen
Untaten übergehen konnteA Tatsächlich sah sich die Elite einer ständigen
Gefahr ausgesetzt. Nachdem man in Frankreich nach englischem Vorbild die
Bevölkerung aufgerufen hatte, sich für den Verteidigungsfall im Bogenschie-
ßen zu üben, wurde Jean Juvenal letztlich bange angesichts des Erfolgs dieser
Maßnahme. Wenn sich das Volk nun zusammenschließe, so fürchtete er. wäre
es viel mächtiger als die Fürsten und Adtigen A Auch Christine de Pisan
warnte (das Beispiel der 1413 vor Augen) ausdrücklich davor, das
Volk zu bewaffnen A Als Paris 1417 durch den Herzog von Burgund belagert
wurde, schien man sich dieser Mahnungen zu erinnern. Die königlichen Räte
sorgten sich um die Loyalität der Bevölkerung und setzten entsprechend auf
Prävention: Den Parisern wurde verboten, sich zu bewaffnen, sich den städti-
schen Befestigungen und Toren zu nähern oder geheime Treffen abzuhakenA
Die häufigen Warnungen vor Aufständen, die Jean Juvenal des Ursins
Karl VII. zukommen ließ (vgl. dazu S. 98). bieten einen einzigartigen Einblick
in das politische Denken, da Jean Juvenal nüchtern und sachlich einzelne
Gründe für Aufstände diskutierte und Ratschläge erteilte, wie sie vermieden
werden könnten. Einen Hauptgrund für Unruhen sah er in der übermäßigen
Besteuerung, die die Freiheit der Franzosen ungebührlich beschneidet Wei-
terhin solle der König nicht mutwillig einen Streit mit dem Klerus riskieren,
denn Teile des Adels und des Volks könnten sich auf die Seite der Kirche
(und damit gegen den König) stehen A Generell müsse der König vor allem
für den Schutz des Volks sorgen, da sich dieses sonst ebenfalls gegen ihn
wendet' So wohlüberlegt und nachvollziehbar diese Ratschläge klingen mö-
gen. so empfand auch Jean Juvenal die möglichen Reaktionen des Volks
kaum als berechenbar, sondern diagnostizierte dem Volk die ..Krankheit der
Raserei und Fantasterei, und ein beständiges Fieber''^ das man aber immer-
hin durch eine Senkung etwa der Salzsteuer lindern könne.

34 QMod aZZoM&MS ZZmM/Z. scitms^Me mM/ZZ/Md/M/ cop/Mse Mic/d/ prompZ/MS /Messe pMam /Mop/MH/e a/i
ZraeMMd/a adJae/Mora ZraMs/re. Chronique du Religieux. Bd. 1. S. 20-22.
33 Ff eM ejjec/ s/ eMsem/de se^'sseM/ m/s. Z/s eMsseM/ esZe p/MS pM/ssaMS pMe /es pr/Mces eZ MoZdes. Juvenal
des Ursins. Histoire. S. 396.
33 SZ M'esZ p/MS graM/yd^ ^ pr/Mce. s/ je /'ose dire, pMi UMe/Z oF/ew/r sa seigMeMrie A%Mc/?eme?!/ e/ eM paix,
t?Me donner ZZeenee HM mcMH commMM de soi/ armer. Christine de Pisan. Livre de la paix. S. 133
(111.12). Siehe dazu auch Contamine. Armement. S. 59.
37 Chronique du Religieux. Bd. 6. S. 132. Siehe auch Journal d un Bourgeois. S. 30 (§2) (ad a. 1407).
Zur Sorge auch der städtischen Obrigkeit vor Unruhen siehe Solon. Tholosanna Fides. S. 283.
33 Juvenal des Ursins. Ecrits. Bd. 2. S. 268f. (Vcr/v mea). Ähnlich argumentiert auch Christine de
Pisan. Livre de la paix. S. 137 (111.15).
39 Juvenal des Ursins. Ecrits. Bd. 2. S. 376 (VorFa men).
40 Ebd.. Bd. 1. S. 418 (Lotp;nr /n /rZZm/ncZomj; Bd. 2. S. 440 (La de/ZZ^erneZoM). Siehe dazu auch Chris-
tine de Pisan. Livre de la paix. S. 137 (111.15). sowie Kennedy. Lamentadon. S. 180.
44 AM regarZ & Za ma/ad/e & /a^^Msie eZ reuer/e eZ/Zeure coM/iMMe//e eM /a^Me/Ze es/ /e peMp/e... Juvenal
des Ursins. Ecrits. Bd. 2. S. 440. auch 443 (La de/ZZvraeZoM); vgl. Oschema. Öffentlichkeit. S. 73.
Zur Salzsteuer: Juvenal des Ursins. Ecrits. Bd. 2. S. 443 (La de/ZZvraeZoM).
 
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