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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0256

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21 Formen kollektiver Gewalt

255

mit burgundischen Gefolgsleuten. Die Lage in Paris blieb aber weiterhin un-
ruhig, sowohl aufgrund von Gerüchten um heranrückende Armagnacs, als
auch wegen der englischen Erfolge in Nordfrankreich, die die Versorgungs-
lage in Paris empfindlich störten.'^ Der Henker von Paris, Capeluche,
schwang sich in dieser Lage zum Sprachführer der Handwerker und Lohn-
arbeiter auf. In der Nacht vom 20. zum 21. August eskalierte die Situation
erneut. Nacheinander wurden der Führung von Capeluche das CMfdef und
weitere Gefängnisse gestürmt, in denen noch Gefangene festgehalten wurden,
die man wiederum bezichtigte, ,Armagnacs' zu sein. Der Schreiber des Pari-
ser Parlament, Clement de Fauquembergue, berichtete, die Pariser hätten sich
beschwert, dass einige der ,Verräter' noch immer nicht bestraft worden seien
und weiterhin in den Gefängnissen sitzen oder sogar freigelassen würden.
Der Unmut richtete sich demnach dezidiert gegen die Justiz, der man Nach-
lässigkeit und Verschleierung vor warf.'95 Wegen der Tatenlosigkeit der Justiz
nahmen die Pariser die Sache nun selbst in die Hand und töteten 100-200
Menschen.'^ Anders als 1413, als Johann Ohnefurcht vergeblich versuchte
hatte, die Cahodfäms zu kontrollieren, ließ er die Pariser diesmal gewähren.
Erst nach dem Massaker lockte er die Pariser Milizen aus der Stadt, indem er
sie zur Belagerung der Stadt Montlhery sandte. Nach Paris wurden sie erst
wieder eingelassen, als Johann die Lage dort im Griff hatte: Als Haupt ver-
antwortliche der Exzesse ließ er Capeluche und einige andere schnell hinrich-
ten397
Die Festnahme der politischen Gegner nach der Einnahme der Stadt durch
die Burgunder verwundert nicht weiter: Ämter und Positionen wurden neu
besetzt, einerseits um loyale Personen an wichtigen Stellen zu installieren,
andererseits, um die eigene Klientel zu versorgen. Die Sorge der Pariser um
die mögliche Freilassung der Gefangenen wiederum war durchaus berechtigt:
Als er vom Tod Bernards von Armagnac erfuhr, sei der Herzog von Burgund

194 Der Journal dun Bourgeois, S. 125f. (§220), nennt die Teuerung als Hauptgrund für das Mas-
saker im August 1418. Vgl. zu Gerüchten um plündernde Banden Toureille, Association.
195 (...) guoff püÜSCMrS pÜSOMMLrS, (...) LstJMeL OM Me pMMfsSOff pofMf, cf (?Me Ls HMCMMS, pgrjHUCMr OM
HMfremeMf, guoieMf esL deüurez, Ls HMfres esLrgis, cf Ls HMfres dcwoMrofcMf pn'soMMiers saus CMjähc
jMsfLc LfL (jM'if apparfeMoff. Ef wMrwMroLMf fresp)rf CM disHMf LsdLLs paroLes OM semFLMes, cf
uoMioLMf, s; commc OM dfsoff, MoLr OM cFargLr saus CHMSC Ls gcws de L jMsfLe de MegügeMce OM de cor-
rMph'oM, d'fgMorHMce OM de dissLiHLeLn. Journal de Fauquembergue, Bd. 1, S. 150. Ähnlich auch
Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 262-264 und Journal d un Bourgeois, S. 127 (§221); Ls discLuf
(?Me ceMX (?M'oM mefddf HMdif cddfeHM eLLüf foMjoMrs dedures per argeMf, ef Ls FoMhüf-OM (Fors) per fes
cFamps.
196 Der Journal de Fauquembergue, Bd. 1, S. 149-152, berichtet von 80-100 Toten, die Chronique
du Religieux, Bd. 6, S. 262-264, und Juvenal des Ursins, Histoire, S. 543, jeweils von 200, Mons-
trelet, Chronique, Bd. 3, S. 289f., von 300 Toten.
197 Schnerb, Armagnacs, S. 254. Oft wird die Hinrichtung Capeluches mit dem Hinweis begrün-
det, er habe eine (schwangere) Frau exekutiert: Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 264-266;
Journal d un Bourgeois, S. 127 (§221). Nach anderen Quellen habe er es gewagt, den burgundi-
schen Herzog zu berühren bzw. sei generell respektlos mit ihm umgegangen, weswegen Jo-
hann ihn habe hinrichten lassen: Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 60; Juvenal des Ursins, Histoire,
S. 543. Ohne nähere Begründung: Monstrelet, Chronique, Bd. 3, S. 291; Journal de Fauquem-
bergue, Bd. 1, S. 155f. Eine Miniatur, die die Hinrichtung Capeluches zeigt, findet sich in Paris,
BnF, ms. fr. 2680, fol. 268'. Abbildung bei Morel, Iconographie, S. 57.
 
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