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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0274

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21 Formen kollektiver Gewalt

273

Tatsächlich kam es 1434-36 im Bessin, im Pays de Caux und in der Region
um Vire (Dep. Calvados) zu mehreren Revolten, die von den Chronisten in
Zusammenhang mit der vorherigen Bewaffnung der Bevölkerung gebracht
wurden.3i2 Bei der Repression im Caux und Vexin stießen die Engländer im-
mer wieder auf organisierte französische Truppen unter erfahrenen Anfüh-
rern - langsam ging der Partisanenkampf wieder in einen reguläre(re)n Krieg
über.3i3 Die königliche französische Armee wusste dies zu nutzen.3^

Freiheitskämpfer oder Kriminelle?
Die Deutungen der Tndüns und der Briganten sind sowohl in den zeitgenös-
sischen Quellen als auch in der Forschung kontrovers. Vor allem von Michel
Pintoin wurden die Tnduns massiv abgewertet: Sie seien überall aufgekom-
men wie „elende Maderk'3'5 und hätten viele Gräueltaten begangen, die Pinto-
in in einem für Aufstände typischen, sich steigernden Narrativ schildert. So
haben sie Exzesse gegen einen Boten begangen, der mit einem glühenden
Dreifuß gekrönt und damit getötet wurde; einen Geistlichen sollen sie sie an
einem Baum gehängt und mit einem Spieß durchbohrt haben, einen Priester
schließlich an den Händen verstümmelt, seinen Kopf in Form der Tonsur
gehäutet und ihn letztlich lebendig verbrannt habertT^ In dieser Darstellung
stellten sich die Thdüns durch ihre Taten für alle ersichtlich gegen die etab-
lierte Ordnung und verdienten als „Übertreter aller göttlichen und menschli-
chen Gesetze"3i? folglich nichts anderes, als die (dann bei Pintoin folgende)
Repression durch den Herzog von Berry.
Bei Thomas Basin bekamen die Briganten der Normandie dagegen den
Anstrich von Partisanen, die als dritte Gruppe zwischen Engländern und

einem Briganten verurteilt und später begnadigt wurde, Lehre de rcwission für Jehan Okeley,
Februar 1426, Paris, AN, JJ173, fol. 172' (Nr. 358), ediert in den Actes de la chancellerie, Bd. 1,
S.294-296.
312 Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 202-206; Monstrelet, Chronique, Bd. 5, S. 104; Chartier, Chronqiue,
Bd. 1, S. 172-175; siehe dazu Roch, Guerres, S. 53f., mit Verweisen auf Toulet, Port, und Curry,
Service feodal, S. 255-257. Siehe auch Wright, Knights, S. 87; Schnerb, Armagnacs, S. 375; All-
mand, Lancastrian Normandy, S. 24f.
313 Baume, Operations.
3M Ab 1430 gingen die französischen Truppen verstärkt gegen die englische Position in der Nor-
mandie vor, Curry, Gens vivans, S. 211. Allmand, Lancastrian Normandy, S. 233f., weist darauf
hin, dass es den Engländern lediglich zwischen 1426 und 1429 gelungen sei, den Widerstand
etwas zu dämpfen.
3i3 Sanc w:dfifMdo maxima aFjccfissimorMW eirorMW, oF incondifos mores TMcFini diccFanfer, MFi^MC
in iiiis parfiFns, ceFd in^Micfi cermes, inopinafc entern nF Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 306.
Siehe auch: M:dfi agresfes accoic, t?Mi Briganfini dich SMMf, t?Masi in Farafrew dcspcracionis addecfi,
cef, ceriMsydear, rapinarMW CMpidifafiFns allecfi, ipsis sienf ceferi, prcdoncs difarenfer, aF greis
ad arma iransirc sfafHerHrd. Chronique du Religieux, Bd. 6, S. 88. Siehe dazu Challet, Mouve-
ment, S. 24f.; Challet, La revolte, S. 101.
3i6 Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 308-310. Siehe dazu Bulst, Kollektive Gewalt, S. 159f.
3i2 Dicini cf Fewani jeris fransgressores cf dicina animadcersioMe dignos. Chronique du Religieux,
Bd. 1, S. 310.
 
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