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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0276

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21 Formen kollektiver Gewalt

275

mandie nicht aus Patriotismus Ziel der Attacken geworden, sondern schlicht
deswegen, weil man sie für die Plünderungen verantwortlich machtet Zwar
findet sich in den (vom französischen König erlassenen) Begnadigungsbriefen
häufig der Hinweis, man habe mit den Briganten gegen die „Feinde" ge-
kämpft - dies sollte aber eher als erfolgversprechende Rechtfertigungsstrate-
gie für Vergehen jedweder Couleur gelesen werden, denn als Hinweis auf
patriotistische Motive A^ Angesichts der wiederholten Aufrufe im Bürger-
krieg, gegen die „Feinde" vorzugehen und sich ihrer Güter zu bemächtigen,
waren genügend Rechtfertigungen für Raub und Plünderung gegeben, so
dass sich politische und ökonomische Motive kaum trennen lassen dürften.
Letztlich dürfte auch schlichte Abenteuerlust eine Rolle gespielt haben A°
Man könnte also zusammenfassen, dass die Bevölkerung sich gegen jeden
wandte, der sie bedrohte und schädigte - und mitunter eben auch selbst
plünderte.33° Tatsächlich waren die verschiedenen Gruppen von Bewaffneten
im Alltag ohnehin kaum klar trennbar A'
Nach Challet waren die Tnduhs folglich vor allem ein Zeichen für die dörf-
liche Solidarität gegenüber jeglicher Bedrohung von außen - eine „extreme
Form der Geselligkeit."^ Die Revolte richtete sich damit nicht direkt gegen
den Adel, sondern eher gegen dessen Gewaltmonopol, das man auf städtisch-
ländlicher Ebene nicht mehr ohne weiteres zu akzeptieren bereit war. Aus
Sicht des Adels war dies jedoch eine ungeheure Provokation, da man die
Ausübung von Gewalt als ureigenes Standesvorrecht betrachtete.^ Solange
die Tnduhs in den 1370er Jahren in der Auvergne die Compaghies und engli-
schen Garnisonen in Schach hielten, wurden sie relativ bereitwillig von der
Obrigkeit geduldet.^ Als aber die Krone im Languedoc mehr und mehr an
Boden und Zugriffsmöglichkeiten verlor und sich Allianzen zwischen Stadt
und Land verdichteten, wurden die lokal organisierten Gruppen zunehmend
als Herausforderung angesehen A^ In Begnadigungsschreiben wurde von den
Schreibern zunehmend die Armut der Tüduns herausgestellt, womit diese zu
einer Gruppe von einfachen Dieben und Plünderern wurden, die das Volk
belästigten und deren Agieren man kriminalisierteA6 Auch ihre einheitliche

327 Boudet, Jacquerie, S. 35.
32spoMr guoir sa uie en ro:he degens nommez u:dgH;'remenf hAhns on Frigans, ef poMrs:duH?h ie^MeiJdd d
aida a desfndre ef dorniger pinsiers de noz ennemis. Lehre de remission für Gieffroy Queton, 1377,
Paris, AN, JJ 210, fol. 124v-125r (Nr. 207), zitiert nach Toureille, Vol, S. 47; siehe auch Wright,
Pillagers, S. 20; Toureille, Vol, S. 50; Gauvard, Resistants.
329 Journal d un Bourgeois, S. 39 (§16) (ad a. 1411), vgl. dazu Toureille, Vol, S. 48-50.
330 Vg). etwa die Lehre de remission für Jean Flageolet, Juli 1359, Paris, AN, JJ 90, 149'-150' (Nr.
292), ediert bei Luce, Histoire, S. 293f., hier 293 (Nr. 46).
331 Challet, Mundare et auferre, Bd. 1, S. 141.
332 „Une forme extreme de sociabilite." Challet, La revolte, S. 112. Siehe auch Challet, Tuchinat,
§5-
333 Challet, Mouvement, S. 28f., 31
334 Charbonnier, Qui furent les Tuchins?, S. 243.
333 Toureille, Vol, S. 46-51; Roch, Guerres, S. 56f.; Wright, Knights, S. 92-95; dagegen Cohn, Lust,
S. 38, der auf die obrigkeitliche Billigung der Gegenwehr verweist.
336 Line eompagnie de roFenrs ef de pdienrs (...) Oph) gMefoienL desroFoienp deshddenf ef MMrdrissoienf
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