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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0289

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288

IVI Problematisierungen

Honore Bouvet folgt Johannes in weiten Teilen, macht dabei aber den fak-
tischen Zwiespalt zwischen der klaren kirchlichen Ablehnung und dem herr-
schaftlichen Anspruch auf souveräne Einzelfallentscheidung deutlich.^ Ei-
nerseits schildert er, dass Zweikämpfe aus drei Gründen verboten seien: Ers-
tens, weil schon oft diejenigen verloren hätten, die eigentlich im Recht waren;
zweitens, weil man sich durch solche Gottesurteile anmaße, Gott herauszu-
fordern; drittens, weil wegen der Duelle schließlich Richter überflüssig wür-
den.*^ Andererseits zeigt Bouvet auf, wie beschränkt die Wirkung dieser kle-
rikalen Argumentation war: König Johann II. habe 1362 in Villeneuve-les-
Avignon (Dep. Gard) einen Zweikampf zugelassen, obwohl Papst Urban V.
vehement dagegen protestierte. Die weltliche Obrigkeit setzte sich hier
schlicht über direkte kirchliche Verbote hin weg A

Ehrenkämpfe
Der gerichtliche Zweikampf, der ursprünglich allen freien Männern offen
stand, wurde vor allem von Adligen zunehmend mit großem Aufwand zele-
briert. Guillaume de Harcourt verlangte 1367, sich gegenüber Vorwürfen der
Untreue „als Edelmann und Adliger nach dem Brauch Frankreichs" verteidi-
gen zu dürfen A Dieser vermeintlich adlige Brauch vermochte es, das durch
militärische Niederlagen angekratzte ritterlich-adlige Standesbewusstsein
wieder aufleben zu lassen. Indem der Aspekt der Ehre in den Vordergrund
rückte, verstanden Adlige das Duell zunehmend als exklusives Standesprivi-
legA So verweigerte Hugues de Mortagne 1365 die Duellaufforderung durch
Jacques Lescohier unter anderem mit dem Verweis, dieser könne wegen sei-
ner unedlen Herkunft einen Adligen wie ihn, Hugues, gar nicht zu einem
Duell herausfordernd
Dem schleichenden Bedeutungsverlust des Duells auf religiös-juristischer
Seite stand ab dem späten 14. Jahrhundert somit ein Wiederaufleben in Form
des Ehrenkampfes gegenüber. In dem Maß, in dem der Krieg professionali-
siert wurde, wandte sich der Adel alten ritterlichen Idealen und ihren Fest-
formen zu, dem Duell und dem Turnier A

62 Bonet, Arbre, S. 222-227 (IV,111-112). Ebenso: Laennec, Christine, Bd. 2, S. 259-263, (IV,7),
(siehe auch: Christine de Pisan, Book of Fayttes, S. 258-261; Christine de Pisan, Book of deeds,
S. 197-199). Abweichend von Johannes und Bouvet führt Christine mehrere Fälle an, in denen
Könige Zweikämpfe erlaubten: vgl. dazu Kap. IV.3.2
63 Bonet, Arbre, S. 70f. (111,1).
64 Ebd., S. 72 (111,1). Der Kampf wurde zwischen Amanieu de Pommiers, einem gascognischen
Adligen, und Fouquaut d'Archiac ausgetragen, vgl. Chronique des regnes, Bd. 1, S. 339.
63 DisHMf s'en uoMNoif dqjendre comme gendE cf woNe seloM la coMsfMwc de France. Chronique des
quatre premiers Valois, S. 184.
66 Neumann, Zweikampf, S. 46f. und 216f.; Chabas, Duel, S. 252 und 255. Zu den Beteiligten:
Neumann, Zweikampf, S. 163-214; Karl (V.) verbot 1357 den Bewohnern der Stadt Ville-
Franche im Perigord jegliche Zweikämpfe: Ordonnances, Bd. 3, S. 201-210, hier 205 (§8) (Dau-
phin Karl (V.) 1358).
67 Timbal, Guerre, S. 272-277.
63 Vale, War, S. 20f. und 165-168. Zur schwierigen Abgrenzung zwischen einem Duell, einem
formalen Kampf und einem Turnier siehe Muhlberger, Deeds of arms, S. 47-75. Zur Bedeutung
 
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