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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0290

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31 Formen interpersoneller Gewalt

289

Die Aufforderung zum Zweikampf wurde zur gesellschaftlichen Konven-
tion, zu einer fast reflexhaften Antwort auf Beleidigungen oder Vorwürfe,
deren Wirkung sich bereits durch die ostentative Bereitschaft zum Kampf
entfaltete.69 Worte und Geste rekurrierten auf ständische Ideale und waren
ein ausreichender Beweis für die Aufrichtigkeit des Herausforderers/" Es war
dieser Reflex, auf den Michel Pintoin, der tendenziell eher skeptisch gegen-
über Duellen eingestellt wa r/' in seiner Darstellung Charles' de Savoisy
durchaus ironisch anspielte. Dieser hatte 1404 als Gesandter an den spani-
schen Hof fungiert, sah bei seiner Rückkehr aber seine Treue und Glaub-
würdigkeit in Frage gestellt. Jedem, von dem er sich beleidigt sah, warf er
sofort den Fehdehandschuh hin, ohne dass aber jemand darauf eingegangen
sei/^ Eg ging wohl mehr um die Behauptung von Rang und Ehre, als um tat-
sächliche Gerechtigkeit - die „Paarformel von Verratsvorwurf und Zwei-
kampfangebot"73 war performativer Ausdruck der individuellen, ständischen
Ehrenhaftigkeit.
Der Einfluss der ritterlich-adligen Kultur spiegelt sich auch in Traktaten:
Im Streitgespräch des Songc &7 Vcrgier von 1378 behauptete der ,Ritter', Zwei-
kämpfe seien erlaubt, wenn zwei Männer ihre Kräfte und körperlichen Tu-
genden messen würden, ohne dass Blut vergossen werde/4 Ob der König dies
akzeptierte, war jedoch im Einzelfall seine persönliche Entscheidung: Als der
Seneschall des Hennegau und Jean de Cornouailles 1409 vor dem Herzog von
Burgund gegeneinander antreten wollten, „nur um ihre Tapferkeit zu zeigen,
um einige Lanzen zu stechen und einige Axt- und Schwerthiebe auszutau-
schen"?5 zog der König den Kampf an seinen Hof und unter seine Autorität.
Den kampfbereiten Männern verbot er dann in Paris das Duell, weil es „kei-
nen vernünftigen Grund"26 dafür gebe.

für die Adelskultur siehe: Paravicini, Einheitliche Adelskultur, S. 419-421, zur ,Ritterrenais-
sance' im Spätmittelalter siehe ebd., S. 428f.
69 Bei den Krönungsfeiern Karls V. im Jahr 1380 konnte der junge Graf von St. Pol, Walram III.
von Luxemburg, Verratsvorwürfe ausräumen, indem er sich zu einem Zweikampf mit seinen
Anklägern bereit erklärte, Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 36.
7° Neumann, Zweikampf, S. 155-164.
Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 56-58, Textzitat auf S. 291, Anm. 85.
72 QMod die abendens tT SMspicdwem fand maii CMpdms adoiere, ne iwde A^am SMam eiaram tpds oiwMdi-
iaref, in eoMsisforio regis cf prmcipMm uoiens seipsMm pMrgare, in ^MemeMM^Me odio^MMforem in ipsMm,
ci/rofccHW sigMMm scüicef moMomaedie odf:dd singMiaris, (?Mam MMÜMS recipere aMSMS^MÜ. Chronique
du Religieux, Bd. 3, S. 160.
72 Neumann, Zweikampf, S. 162, deutet Zweikämpfe als Ausdruck von Idealvorstellungen und
„GerechtigkeitsphantasieJnJ". Dagegen Pintaric, Röle, S. 420f., der Duelle und Turniere als Mit-
tel der Selbstvergewisserung interpretiert.
74 Tei edamp esf ii/sdde seiow DroÜ ciud, eomme MOMS pouoMS wehre exempie en deMX personnes tpu i:u/-
fe?d, tpu foMruadmi OM (pdjoMsfeMf, poMr soi/ exercifer ef poMr essai'er ieMr^rree ef feMr uerfM corporeie.
Le songe du Vergier, Bd. 1, S. 353 (1,162).
72 Ef esfoiewf iors ieedes armes ewfreprises a^dre par iesdiz deMX edeuaiiers deuanf ie dMe de BoMrgogMe, ä
Eisfe, tauf se:demeMf poMr mowsfrer ieMr proesse, ä eoMrir cerfains eops de iawee /MM confre PaMfre ef
aMSs;'A^^ aMCMMS eops de daees ef d'espees. Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 5.
76 Mais deuanf ^:Pdz s'esmMrenf a eoMrre, d/M erie de par ie Roi/ ^:Pdz cessassenf ef M'aiassewf piMS auawf
eM ydsaMf ieeiies armes, ef ^Me md, s:m peiwe eapifaie, dores en auawf ew fo:d sow roi/aMme M'appeiiasf
aMCMM ew edamp saus caMse raisoMMadie. Ebd., Bd. 2, S. 6. Der französische Kanzler untersagte 1405
im Namen des Dauphins den Adligen ein Duell, weil nun nicht die Zeit für solche Dinge sei:
 
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