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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0295
294
IVI Problematisierungen
verpflichtet urtd für etwaige Konflikte standen verschiedene Lösungsmecha-
nismen zur Verfügung: Von friedlicher Konfliktlösung über juristische Zwei-
kämpfe bis hin zur offenen Fehdeführung - der Körper des Gegners galt auf
jeden Fall als Tabu3°4 Mitte des 14. Jahrhunderts jedoch setzte eine „Renais-
sance des politischen Attentats"^ ein, die auch einen Wandel in der Einstel-
lung zum Körper des Gegners mit sich brachte. Die Formen, Gründe und
zeitgenössischen Bewertungen dieser Attentate gilt es im Folgenden an vier
exzeptionellen Fällen zu analysieren, die von den Zeitgenossen ausführlich
thematisiert wurden.'"^
Fallbeispiel 1: Der Mord an Charles d'Espagne, 1354
Charles d'Espagne, genannt ,de la Cerda', entstammte der kastilischen Kö-
nigsfamilie und war ein Jugendfreund König Johanns II., der ihm eine steile
Karriere ermöglichte: 1351 wurde er zum Grafen von Angouleme und zum
ConneldMe von Frankreich ernannt.'"^ Dadurch fühlte sich einerseits Karl ,der
Böse' von Navarra zurückgesetzt, der eigene Ansprüche auf das Angouleme
erhob. Andererseits geriet Charles auch mit Philipp aneinander, dem Bruder
Karls von Navarra, der ihm Rache schwor.^ Am 8. Januar 1354 spürte Phi-
lipp mit einem Trupp Bewaffneter Charles in einer Herberge in L'Aigle (Dep.
Orne) auf, in die dieser unvorsichtiger weise ohne Schutz eingekehrt war. Die
Bewaffneten drangen in die Herberge ein und bedrohten Charles, der Philipp
um Gnade bat. Aber „Philipp war so von Zorn entflammt, dass er von all dem
nichts hören wollte."^ Die Männer stachen Charles nieder und flohen dann
Heinrichs von Luxemburg 1313, den Tod Richards II. 1400 sowie den Überfall auf Ludwig von
Orleans 1407 an, Chastellain, Oeuvres, Bd. 1, S. 26. Zu politischen Morden im europäischen
Kontext, siehe Kintzinger, Maleficium; Heinig, Fürstenmorde; Minois, Couteau.
104 Minois, Couteau, S. 18f.
105 „Renaissance de l'assassinat politique." Minois, Couteau, S. 17. Zu Beispielen im europäischen
Kontext siehe ebd., S. 19; sowie Kintzinger, Maleficium, S. 72. Der Begriff der ,Renaissance'
spielt auf die höhere Attentatsfrequenz im Frühmittelalter an, vgl. ebd, S. 78. Auch die Beiträge
in: Bischofsmord, thematisieren mehrheitlich früh- und hochmittelalterliche Attentate auf Bi-
schöfe; zu Frankreich vom 11. bis 12. Jhd. siehe Soria, Eveques. Zum Konzept des Attentats
siehe Demandt, Attentat.
ioo Beispielhaft für einen hier nicht weiter behandelten Mord sei Guillaume van den Berghe ge-
nannt, der 1419 von zwei Halbbrüdern Jakobäas von Hennegau in der gräflichen Residenz
ermordet wurde. Jakobäa war vermutlich involviert und wollte den Günstling ihres Mannes,
Johann IV. von Brabant, beseitigen; ihre Halbbrüder sannen auf persönliche Rache, weil
Guillaume ihnen als Schatzmeister die Einkünfte gekürzt hatte, siehe Bousmar, Jacqueline de
Baviere, S. 75-79.
107 Zur Geschichte Charles' d'Espagne und des Mords von 1354 siehe Autrand, Charles V, S. 109-
134; Deviosse, Jean le Bon, S. 223-236; Cazelles, Societe [1982], S. 157-159. Zu Karl von Navarra
und seinen wechselvollen Beziehungen zu den Valois siehe Charon, Revoltes, S. 205-208.
los Nach beleidigenden Worten habe Philipp in Gegenwart des Königs mit dem Messer auf
Charles losgehen wollen, konnte jedoch noch zurückgehalten werden, vgl. Chronique des
quatre premiers Valois, S. 25f.; siehe auch Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 4, S. 129 (1,343).
ioo D /ors s'asgeMOMdL /e coMMesddde Ls waws joinfes deucnf monseigneur Pddippe & Nauarre en hu'
prMMf t?M'd wsf werei/ de hü et t?M'd serod sow serjracdefe et t?Me ^ sow Ersauf d'or d se raeMCOMMerod
et oudre sa ferre t?Mdfe cLmod et t?Me o:dre wer s'ew i/rod SHMsjgww's retourner. Thors dd /e co?de de
HgrecoMrd ,Sde, se de ee uoMS ue:df daddr dows dosfages, ai/es pdie de du'.' Mais woMseigMeur Pddippe
IVI Problematisierungen
verpflichtet urtd für etwaige Konflikte standen verschiedene Lösungsmecha-
nismen zur Verfügung: Von friedlicher Konfliktlösung über juristische Zwei-
kämpfe bis hin zur offenen Fehdeführung - der Körper des Gegners galt auf
jeden Fall als Tabu3°4 Mitte des 14. Jahrhunderts jedoch setzte eine „Renais-
sance des politischen Attentats"^ ein, die auch einen Wandel in der Einstel-
lung zum Körper des Gegners mit sich brachte. Die Formen, Gründe und
zeitgenössischen Bewertungen dieser Attentate gilt es im Folgenden an vier
exzeptionellen Fällen zu analysieren, die von den Zeitgenossen ausführlich
thematisiert wurden.'"^
Fallbeispiel 1: Der Mord an Charles d'Espagne, 1354
Charles d'Espagne, genannt ,de la Cerda', entstammte der kastilischen Kö-
nigsfamilie und war ein Jugendfreund König Johanns II., der ihm eine steile
Karriere ermöglichte: 1351 wurde er zum Grafen von Angouleme und zum
ConneldMe von Frankreich ernannt.'"^ Dadurch fühlte sich einerseits Karl ,der
Böse' von Navarra zurückgesetzt, der eigene Ansprüche auf das Angouleme
erhob. Andererseits geriet Charles auch mit Philipp aneinander, dem Bruder
Karls von Navarra, der ihm Rache schwor.^ Am 8. Januar 1354 spürte Phi-
lipp mit einem Trupp Bewaffneter Charles in einer Herberge in L'Aigle (Dep.
Orne) auf, in die dieser unvorsichtiger weise ohne Schutz eingekehrt war. Die
Bewaffneten drangen in die Herberge ein und bedrohten Charles, der Philipp
um Gnade bat. Aber „Philipp war so von Zorn entflammt, dass er von all dem
nichts hören wollte."^ Die Männer stachen Charles nieder und flohen dann
Heinrichs von Luxemburg 1313, den Tod Richards II. 1400 sowie den Überfall auf Ludwig von
Orleans 1407 an, Chastellain, Oeuvres, Bd. 1, S. 26. Zu politischen Morden im europäischen
Kontext, siehe Kintzinger, Maleficium; Heinig, Fürstenmorde; Minois, Couteau.
104 Minois, Couteau, S. 18f.
105 „Renaissance de l'assassinat politique." Minois, Couteau, S. 17. Zu Beispielen im europäischen
Kontext siehe ebd., S. 19; sowie Kintzinger, Maleficium, S. 72. Der Begriff der ,Renaissance'
spielt auf die höhere Attentatsfrequenz im Frühmittelalter an, vgl. ebd, S. 78. Auch die Beiträge
in: Bischofsmord, thematisieren mehrheitlich früh- und hochmittelalterliche Attentate auf Bi-
schöfe; zu Frankreich vom 11. bis 12. Jhd. siehe Soria, Eveques. Zum Konzept des Attentats
siehe Demandt, Attentat.
ioo Beispielhaft für einen hier nicht weiter behandelten Mord sei Guillaume van den Berghe ge-
nannt, der 1419 von zwei Halbbrüdern Jakobäas von Hennegau in der gräflichen Residenz
ermordet wurde. Jakobäa war vermutlich involviert und wollte den Günstling ihres Mannes,
Johann IV. von Brabant, beseitigen; ihre Halbbrüder sannen auf persönliche Rache, weil
Guillaume ihnen als Schatzmeister die Einkünfte gekürzt hatte, siehe Bousmar, Jacqueline de
Baviere, S. 75-79.
107 Zur Geschichte Charles' d'Espagne und des Mords von 1354 siehe Autrand, Charles V, S. 109-
134; Deviosse, Jean le Bon, S. 223-236; Cazelles, Societe [1982], S. 157-159. Zu Karl von Navarra
und seinen wechselvollen Beziehungen zu den Valois siehe Charon, Revoltes, S. 205-208.
los Nach beleidigenden Worten habe Philipp in Gegenwart des Königs mit dem Messer auf
Charles losgehen wollen, konnte jedoch noch zurückgehalten werden, vgl. Chronique des
quatre premiers Valois, S. 25f.; siehe auch Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 4, S. 129 (1,343).
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