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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0298

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31 Formen interpersoneller Gewalt

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ren, zumal er Pierre de Craon nach dem Attentat Schutz in der Bretagne ge-
währte.^
In seiner Schilderung des Attentats nahm Michel Pintoin den Duktus sei-
nes Vorgängers in der Funktion als offizieller Hofchronist, Pierre d'Orgement,
auf. Der König habe gefürchtet, dass „wenn er diesmal untätig sei, viele, die
zu Ähnlichem geneigt seien, solche und schlimmere Verbrechen begehen
würden."^ Karl VI. folgte in seiner Argumentation nun der Logik des Majes-
tätsverbrechens: Er sah sich nicht nur in der Schutzpflicht gegenüber einem
Gefolgsmann, sondern fasste das Attentat auf den ConnAahL prinzipiell als
Angriff auf die königliche Autorität auf - Untätigkeit würde nun also Schwä-
che offenbaren.'^ Daher wurden die Güter Craons konfisziert und vom Her-
zog der Bretagne wurde seine Auslieferung verlangt.^ Montfort jedoch ver-
trat eine andere Rechtsauffassung: Er verwies auf den früheren Treuebruch
Oliviers und sah sich folglich im Recht, gegen seinen untreuen Vasallen eine
Fehde zu führen. Die Bekanntschaft zu Craon stritt er jedoch abd^
Damit standen sich zwei unvereinbare Rechtsauffassungen gegenüber.
Das Attentat selbst wurde jedoch immer mehr vom Vorgehen des Hofs gegen
den Herzog der Bretagne überlagert, womit die Angelegenheit grundsätzliche
Züge annahm. Die Ausdehnung des Majestätsverbrechens auf Amtsträger
des Königs wurde zum Argument für die weitere königliche Politik: Weil er
den Majestätsverbrecher Pierre de Craon schützte, geriet Jean Montfort selbst
ins Visier.'^ Im Sommer 1392 rüstete der König zum Krieg, erlitt aber im
Wald von Le Mans, auf dem Weg in die Bretagne, den ersten der Nerven-
zusammenbrüche, die ihn immer wieder regierungsunfähig machen sollten.^

Fallbeispiel 3: Der Mord an Ludwig von Orleans, 1407
Das Attentat auf Herzog Ludwig von Orleans ist sicher einer der spektaku-
lärsten Morde der mittelalterlichen Geschichte Frankreichs.^ Ludwig war
der Bruder König Karls VI. und nutzte als solcher seine Stellung, um während
der Regentschaft maßgeblichen Einfluss auf den kranken König auszuüben.

Hof schrieb Pierre jedoch allein Olivier de Clisson zu; Juvenal des Ursins, Histoire, S. 376. Siehe
auch Autrand, Charles VI, S. 272 und 284f. Zu Pierre de Craon siehe Pichon, Memoire.
122 Autrand, Charles VI, S. 281.
i22 QMarc sccLn's cowpcrfa ucnWc, ucrcws MC, s; isfMd d;'ss;'w:dHsscf, SMMf ad simi/M prowi, cf
majora pcrpcüvrcni. Chronique du Religieux, Bd. 2, S. 6.
124 Kintzinger, Maleficium, S. 72f.; Minois, Couteau, S. 24;
122 Minois, Couteau, S. 23, 26. Pierre de Craon wurde kurzzeitig in Barcelona festgenommen,
konnte aber erneut fliehen. Später führte er die Truppen der Bretagne in einem Feldzug gegen
den Herzog von Burgund an. Da Montfort ihn aber nicht dauerhaft beschützen konnte, floh
Craon nach England an den Hof Richards II. Jahre später konnte er nach Frankreich zurück-
kehren, wo er nach 1397 starb, Autrand, Charles VI, S. 287.
i26 Minois, Couteau, S. 24; Autrand, Charles VI, S. 281.
i22 Minois, Couteau, S. 23f.
i2s Siehe dazu S. 309, Anm. 213.
129 Zur Geschichte Ludwigs von Orleans und seiner Ermordung 1407 siehe Schnerb, Armagnacs,
S. 91-110; Kintzinger, Maleficium, S. 87-93; Bulst, France, S. 123-128; Minois, Couteau, S. 56-
64; Ehlers, Ludwig von Orleans; Guenee, Meurtre, S. 7-16 und 178f.
 
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