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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0307

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306

IVI Problematisierungen

spektakulären Morde reichen bis ins späte 15. Jahrhundert/^ Philippe de
Commynes erinnert sogar anlässlich des Fürstentreffens in Picquigny 1475
noch an den Mord von Montereau.'^ Während Clement de Fauquembergue
1419 in die Zukunft blickend mutmaßte, dass aus dem Tod Johanns Oh-
nefurcht noch viele Übel entstehen würden/^ wurden die Morde für andere
Chronisten geradezu zum natürlichen Anfangspunkt ihrer Erzählung:
Thomas Basin begann um 1471/72 mit der Niederschrift seiner Chronik, stellte
ihrem eigentlich Beginn zum Jahr 1422 aber einen Rückblick auf den Mord an
Orleans voran.^s Auch Chastellain ließ seine Chronik, die er ab 1454 nieder-
schrieb, mit einem Rückblick auf das für die burgundische Geschichte so
wichtige Jahr 1419 beginnen, musste aber für dessen Erläuterung wiederum
bis 1407 zurückblicken.i89 Die Fürstenmorde waren zu einem regelrechten
Epochendatum geworden, das aus der Sicht der Zeitgenossen die Geschichte
ihres Jahrhunderts markant geprägt hatteV
Darstellung: Die Morde verbreiteten Angst und galten den Zeitgenossen
als Ursache der politischen Übel im Land. Der eigentliche Schrecken, den die
Morde verursacht haben müssen, wird bei einem genaueren Blick auf die
Darstellungsweisen der Chronisten deutlich. Deren erstes, wiederkehrendes
Motiv, die Nacht, wurde bereits erwähnt. Sie war Sinnbild der Hinterhältig-
keit der Attentate, deren Ausführende buchstäblich im Dunkeln blieben.
Ebenso zeigt die explizite Wehrlosigkeit der Opfer den asymmetrischen und
damit inakzeptablen Charakter der Morde: Charles d'Espagne wurde nackt in
seinem Bett überrascht und seine Gnadenbitten wurden ignoriert/^ der un-
bewaffnete Olivier de Clisson versuchte, sich kriechend in Sicherheit zu brin-
gen 3^
Bei der Detailanalyse der Morddarstellungen fällt die Verschränkung von
Grausamkeitsbezeichnungen und körperlichen Verletzungen auf, die detail-

185 Monstrelet, Chronique, Bd. 2, S. 284 (ad a. 1412); Bd. 4, S. 342 (ad a. 1429); Journal d un Bour-
geois, S. 262 (§512) (ad a. 1429); Proces de condamnation, Bd. 1, S. 175 (1431); Juvenal des Ur-
sins, Ecrits, Bd. 1, S. 224f. und 229 (ZhaEic cd;') (1435); Bd. 2, S. 192 (VcrPa weg) (1452); Jacques du
Clercq, Memoires, Bd. 3, S. 138 (ad a. 1461); Basin, Louis XI, Bd. 1, S. 144 (ad a. 1464); Philippe
de Commynes, Memoires, Bd. 1, S. 76 (1,13) (ad a. 1465).
186 Philippe de Commynes, Memoires, Bd. 1, S. 288 (IV,9) (ad a. 1475).
iS? Doni, ci po:u occasioM dMpMci/äii, phdscMrs grans iMCOMUCMicMS ci dommagcs üreparaMcs sowi disposcz
d'aucMÜ, ci CMSMir piMS grans per auawi, a ia i?OMic dcs/äiscMrs, OM dommagc & woMdii sügMCMr
DaMpin'M pnndpaimcMi, tpd aitcM&a't ic roi/aMwc per iioün'c ci SMCccssiow apres ic Pot/, wosirc soMucraiM
scgMCMr fsicj, a ;7 a:ua mahrs TaäL ci phrs d'cMMcmis ci aducrsaircs per auawi.
Journal de Fauquembergue, Bd. 1, S. 318.
188 Basin, Charles VII, Bd. 1, S. 8-12, sowie S. 22 und 84.
189 Chastellain, Oeuvres, Bd. 1, S. 15-22.
190 Siehe Mauntel/Oschema, Prince, S. 131; Guenee, Meurtre, S. 97.
191 Chronique des quatre premiers Valois, S. 27; Chronique dite de Jean de Venette, S. 130; Chro-
nique des regnes, Bd. 1, S. 38. Zur Gnadenbitte: Chronique dite de Jean de Venette, S. 130;
Chronique des quatre premiers Valois, S. 27
i97 Ei /Mi/ csioii io:d MMds ci dcspoMrucM, ci MC porioii/ors MMg coMici, espoir & &MX pics & ioMgCMr. J...J
Eg &/CMSC csioii pciiic, rar ;7 M Vsioicwi c:ds inrii ci saus anrnucs. Froissart, Oeuvres, Bd. 15, S. 9.
Siehe auch Chronique normande de Pierre Cochon, S. 190. Zum Rettungsversuch: Froissart,
Oeuvres, Bd. 15, S. 10. Weniger dramatisch bei Juvenal des Ursins, Histoire, S. 388.
 
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