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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0308

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31 Formen interpersoneller Gewalt

307

liert hervorgehoben werden:^ Charles d'Espagne sei mit 80 Wunden getötet
worden/^ Olivier de Clisson habe eine schwere, blutende Kopfwunde da-
vongetragen/95 Ludwig von Orleans sei sogar, weil er den Arm zum eigenen
Schutz erhob, eine Hand abgeschlagen worden. Durch die Schläge der An-
greifer sei zudem sein Kopf zerschmettert worden und seine Gehirnmasse
verspritzt.^ Michel Pintoin steigert diese Schreckensdarstellungen noch,
indem er beschreibt, wie bald viele Schaulustige um den verstümmelten
Körper herum gestanden hätten - das schlimmste aber sei gewesen, dass
man die abgeschlagene Hand und das Gehirn extra habe auflesen müssen,
um es mit dem Körper wegzutragen '^ (siehe Abb. 5, S. 437).
Entscheidender als die Todesart scheint also der Zustand des Körpers ge-
wesen zu sein. An gelehnt an Valentin Groebners Essay über die , visuelle Kul-
tur der Gewalt im Mittelalter' wäre hier zu fragen, welche Wirkung ein ver-
stümmelter Körper entfaltete, beziehungsweise welche Wirkung durch die
Beschreibung eines verstümmelten Körpers erzielt werden sollte.^ Die Men-
ge der Belege, die im Kontext der Mordanschläge detailliert die Verletzungen
und Wunden der Opfer beschreiben, deutet auf eine hohe Signifikanz von
Verstümmelungen hin. Für das spätmittelalterliche England arbeitete Wes-
terhof die große Bedeutung des Körpers in der adligen Kultur heraus. Er sei
als Spiegel der Seele gedeutet worden, habe in seiner Physiognomie Tugen-
den und Ideale verkörpert und sei entsprechend gepflegt und trainiert wor-
den. Die adlige Würde konstituierte sich auch in der körperlichen Fitness und
ein intakter und trainierter Körper galt noch beim Tod als wünschenswert.^

193 Beim Tod Johanns Ohnefurcht fehlen derartige Beschreibungen erstaunlicherweise; nur der
königliche Sekretär Jean Seguinat beschreibt, wie auch Johann beinahe die Hand abgschlagen
worden sei. Dies ist in einem Gemenge durchaus vorstellbar, kann aber auch eine bewusste
Spiegelung des Todes Ludwigs von Orleans sein; Bericht Jean Seguinats, ediert in den Me-
moires pour servir l'histoire, S. 271-278, hier 274: Ce graut howiwic commeM^a ä fraper feu moudh
SdgMCMr & fadfffe espee s:u fa fest eM desceMdaMf aM foMg du ufsage du cosfe desfre, woMdff Sef-
gMeur pour cufdfer euffer fe coup geffa fe Fräs aM deuauf doMh'fÄ'f Ffecfe fres uffafMeweMf; carf ff Me peuf
faMf ahufer pue fe cop Me hu/ cheusr SMr fe ufsage, & of dudff cop fe Fräs ewprez fa wafM prespue coppe.
194 Car ff hu' faM^a cf hoMfa foul OMhrc parwf fe corps; cf faMf eMgfosseuseweMf, ufffafMMeweMf cf ahhowfMa-
McmcMf PapparefffereMf pu'ffz fuf/freMf puafre ufMgf pfafes. Chronique des quatre premiers Valois,
S. 27.
i93 Ff froMucrcMf fcMr sefgMeur cf fcMr wafsfre Ffecfue cf Maure ef fe cfn'ty dureweMf eMfawe, ef fe saMg puf
fui/ couuroff fa ui/afre. Se ffs/ureMf fous esFaFis, ce^f rafsoM. Froissart, Oeuvres, Bd. 15, S. 11. Ähn-
lich: Chronique du Religieux, Bd. 2, S. 4.
i93 Ff fc^cn/ d'uMe Fache, feffeweMf pu'ff hu coppa fe pofMg foul jus. J...J fa pfusparf d'fceufx recouurereMf
ef presfemeMf par^rrce ef FaFoMdaMce de corps/u f aFafu jus de sa wufe, ef sa feste foule escarfefee, eM
feffe waMfere pue fa cerueffe chei/ sur fa Chaussee. Monstrelet, Chronique, Bd. 1, S. 156f. Ähnlich:
Chronique normande de Pierre Cochon, S. 221; Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 734; Juvenal
des Ursins, Histoire, S. 445; Nicolas de Baye, Journal [1885-1888], Bd. 1, S. 206; Les chroniques
du Roi Charles VII, S. 22.
197 Pafrafo fameM scefere, puo crudeffus uef aFoMUMaFifius iM puewcuMpue gesfum MOM re/eruMf aMMaies,
sfaffw popuforuw repeMffMus/ff coMcursus, audffa^cff acerFffafe fwwaMfssfwf, ef ad excecraFffe speefa-
cufuM! cuMcffs MMdfpue coM/fueMffFus, horror^ff fMfuerf corpus wufffs pfagfs cop/ossum fefaffFus, fM
MMO Frachfo mufffafum; sed horrfFfffus^fh cum cereFruw feuawpue waMum, uf cum corpore sepeh'reM-
fur, fufra fufuMi/ehduMi cofffgf opporhu'f ef perpufrf. Chronique du Religieux, Bd. 3, S. 736.
198 Vg). Groebner, Ungestalten, mit dem Untertitel ,Die visuelle Kultur der Gewalt im Mittelalter'.
199 Vgl. Westerhof, Death, bes. S. 28-82.
 
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