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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0313

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312

IVI Problematisierungen

Karl als Figur der französischen Politik desavouieren. Der Plan, den König zu
vergiften, erscheint so als verwerflicher Höhepunkt einer ganzen Reihe von
gegen Frankreich gerichteten Allianzen und Verschwörungen und wird von
der Chronik als politisches Argument gegen die Person Karls von Navarra
genutzt.^ Christine de Pisan wiederum stilisierte diese Episode zu einem
Beweis für die Beliebtheit Karls V., denn immerhin hätten seine Fürsten ihn
vor dem Anschlag gewarnt.^ Ihr ging es also weniger um den Akt der Ver-
giftung als solchen - Christine schrieb entsprechend desinteressiert, dass Karl
den König „durch Gift oder andere Weise"^ töten wollte - sondern um die
moralische Niederträchtigkeit, die der Urheber durch seine Pläne offenbarte.
Karl ,der Böse' von Navarra wurde von seinen Zeitgenossen wiederholt
als Hintermann von Vergiftungsversuchen vermutet.^? Zwei Jahre nach den
Mordplänen gegen den König stiftete er vermutlich den Sohn des Grafen von
Foix, Gaston de Bearn, an, seinem Vater ein Pulver zu verabreichen. Froissart
zufolge habe Karl dem Jungen erklärt, das sich Gaston dann wieder mit seiner
Frau (der Schwester Karls von Navarra) versöhne.^ Der Junge wurde dann
mit dem Pulver entdeckt, das sich - an einen Hund verfüttert - als Gift her-
ausstellte. Letztlich brachte Gaston Phcebus seinen einzigen Sohn wütend um:
„Faktisch hat sein Vater ihn getötet," schlussfolgerte Jean Froissart, „den töd-
lichen Hieb aber hat ihm [eigentlich] der König von Navarra versetzt."^
1385 gerieten dann die Herzoge von Berry und Burgund ins Visier Karls
von Navarra.^*) Jenseits der narrativen Instrumentalisierung des Giftmord-
Vorwurfs, zum Beispiel in der C/uom^MC des regnes, zeigt das wiederholt von
verschiedenen Quellen beschriebene Vorgehen Karls ein politisches Hand-
lungsmuster. Als Graf von Evreux hatte er eine nicht zu unterschätzende
innerfranzösische Machtposition; zugleich war er aber als König von Navarra
nicht gänzlich von der französischen Krone abhängig. Er erhob im Gegenteil
sogar selbst Ansprüche auf den französischen Thron (seine Mutter Johanna

S. 310-315. Beide wurden als Verräter hingerichtet, ebd., S. 315-318. Vgl. dazu Abb. 6 auf S.
438.
224 Gauvard, Grace espedal, S. 318; Guenee, Meurtre, S. 94.
225 Christine de Pisan, Livre de la paix, Bd. 2, S. 137-139 (111,52). Mit Blick auf literarische Werke
des 14. Jahrhunderts betont Collard, L'imaginaire, die Schilderung von Giftanschlägen diene
vor allem als dramatisierendes Element, das den Helden in Gefahr bringe und seine Tapferkeit
so noch unterstreiche.
226 poisoMS OM HMÜemeMf. Christine de Pisan, Livre de la paix, Bd. 2, S. 138 (111,52). Ähnlich
dürfte auch der Vorwurf Basins, König Ludwig XI. habe 1472 seinen Bruder Charles de Valois,
den Herzog von Berry (später der Normandie), vergiften lassen, Teil seiner Tendenz sein,
Ludwig zu diskreditieren und als Tyrannen darzustellen. Basin, Louis XI, Bd. 2, S. 116-120 und
131.
227 Collard, Redt, S. 416-423; Minois, Couteau, S. 21 f.
228 Froissart, Chroniques (liv. III & IV), S. 180-188 (111,13). Die Chronique du Religieux, Bd. 1,
S. 632-634, und Juvenal des Ursins, Histoire, S. 382, beschreiben, wie der junge Gaston sich Rat
suchend an seinen Onkel wandte, weil er sich am väterlichen Hof vernachlässigt und nicht an-
gemessen ausgestattet fühlte. Karl von Navarra riet ihm, den Vater zu vergiften. Knapp dazu
auch die Chronique des quatre premiers Valois, S. 284.
229 Sou pere Toccisf uoüemeMf, weis /e roi/ de Nauarre dd doMMH /e coMp de d! wort. Froissart, Chroniques
(liv. III & IV), S. 188 (111,13).
230 Chronique du Religieux, Bd. 1, S. 356; Juvenal des Ursins, Histoire, S. 364.
 
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