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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0340

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41 Formen obrigkeitlicher Gewalt

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Scheinexekutionen psychisch zugesetzt wurdet Nur die C/iromtjMe des regnes
hielt wiederum dagegen, indem sie die vermeintliche Verschwörung detail-
liert beschrieb, um dafür die Hinrichtung umso knapper abzuhandelnV?
Nach den Maßstäben der Zeit dürfte das wiederholte Vorgehen des Kö-
nigs gegen missliebige Adlige tatsächlich als , Gewalt' auf gefasst worden sein,
im Sinne ungerechter uiolcncc statt legitimer jMshce. Die Fürsten waren em-
pört: Das Vorgehen des Königs empfanden sie besonders gegenüber derart
angesehenen Adligen als unerhört, da sie aufgrund ihres Standes und ihres
Renommees als über Verratsvorwürfe erhaben galten. Die fehlende öffentli-
che Beweisführung bei einer plötzlichen Hinrichtung provozierte die Verbrei-
tung von Gerüchten, da eine unbegründete Tötung allen Idealen und Prinzi-
pien legitimer Rechtsprechung zu wider lief. Der dezidierte Verweis auf die
Gerüchte diente den Chronisten dazu, das eigentlich Unvorstellbare bei ihren
Lesern zu evozieren, ohne die Vorwürfe oder ihre möglichen Folgen klar be-
nennen zu müssen. Dennoch konnten so die Beunruhigung und Empörung
über den Bruch bislang akzeptierter Verhaltensmuster durch den König ihren
Ausdruck finden.'^ Das Vorgehen der Könige gegenüber den Adligen mag
dazu beigetragen haben, die Methoden der politischen Auseinandersetzung
rauer werden zu lassen. Mit dem Attentat auf Charles d'Espagne 1354 fiel ein
erster spektakulärer Mord unter hochstehenden Fürsten genau in die Zeit
rigoroser königlicher Hinrichtungen (1343, 1350, 1356). In der verschärften
politischen Auseinandersetzung seit ca. 1400 nutzen dann die Fürsten derar-
tige Hinrichtungen als Mittel, um sich politischer Gegner zu entledigen.^

Ausweichstrategien II: Geheimes Ertränken
Für Christine de Pisan waren Fürsten, die zu sehr den Einflüsterungen von
schmeichelnden Beratern erlagen, schlechte Herrscher, die dann
„Leute ohne Grund und Gerechtigkeit oder nur aus geringem Anlass
töten lassen, sowohl öffentlich als auch im Geheimen durch Ertränken
oder Tötungen, damit nicht mehr darüber gesprochen werde."

126 DMW HMfem sie/MÜ ;'?! CHrcerdws, m:dd! graule SMSÜMMÜ ef siMpendc. New ddyMHMdo ad eMW wiüeFHM-
fMr (pd/iMgeLmf ipsMW feile sine remedio deeoilari; sed fMMC SMperfeMieiwMi ah';' proin'ivMies.
Chronique dite de Jean de Venette, S. 136. Froissart, Chroniques (SHF), Bd. 4, S. 182f., schildert,
wie man Karl im Gefängnis immer wieder von seiner bevorstehenden Hinrichtung erzählte.
i22 Chronique des regnes, Bd. 1, S. 62-66. Ebenfalls eher pro-königlich: Chronique normande de
Pierre Cochon, S. 82-87.
128 Siehe zur narrativen Funktion der Gerüchte Prietzel, Rumeurs, S. 170-176; Beaune, Les Monar-
chies medievales, S. 175: „La rumeur presente de la realite une lecture morale, stereotypee ou
fantasmatique, reductrice mais fidele aux valeurs du groupe."
129 So z. B. Jean de Montaigu 1409: Chronique du Religieux, Bd. 4, S. 274—276; Journal d un Bour-
geois, S. 34 (§10); Nicolas de Baye, Journal [1885-1888], Bd. 1, S. 292; Monstrelet, Chronique,
Bd. 2, S. 44. Eine kritische Reaktion der Fürsten schildert die Chronique normande de Pierre
Cochon, S. 251. Auch Sauvage de Fremainvilles wurde 1427 ddiifeweMi in Paris hingerichtet,
Journal d un Bourgeois, S. 240f. (§475), vgl. dazu Mills, Suspended animation, S. 26f.
i2o A:dres par^iie croire de legier ieMrs WHMfgis^HieMrs (d ceiie iMsiHMee A^e moMrir gens saus CHMse
MejMsh'ce OM d poM d'acdoisoM, dmi en pMidi^Me comme seereieweMi^ire Moi/er OM occirre (?M'ii M'en soll
 
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