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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0342

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41 Formen obrigkeitlicher Gewalt

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te' Justiz des Königs, der sich seiner Widersacher im Geheimen entledigte,
statt sie rechtmäßig und öffentlich vor Gericht zu stellen. Gegenüber Verrä-
tern, die jahrelang öffentlich am Galgen hingen, oder auch gegenüber de-
monstrativen Morden mitten in Paris war das Ertränken eine Chiffre für das
unbemerkte Verschwinden einer Person fernab der Öffentlichkeit - und als
solches negativ konnotiert.'^
Es gilt jedoch auf zwei Einschränkungen dieser Interpretation zu verwei-
sen: Erstens war das Ertränken keineswegs eine allein dem König vorbehalte-
ne Praxis. Sowohl die Bevölkerung als auch die Fürsten bedienten sich eben-
falls dieser diskreten Methode. Während die Bevölkerung sich das Ertränken
als wenig Aufsehen erregende Methode zu Nutze machte, um Briganten und
Plünderer zu töten/37 nutzten die Fürsten diese Hinrichtungsart, um etwa
Favoriten des Königs aus dem Weg zu räumen. So wurde 1427 der Kammer-
herr und Günstling Karls VII., Pierre de Giac, nachdem er in Ungnade gefal-
len war, von seinen Gegnern ertränkt.'^ Tatsächlich scheint in der Vorstel-
lung der Zeitgenossen das Ertränken der geradezu idealtypische Tod eines
Favoriten gewesen zu sein. Diese Denkfigur war derart wirkmächtig, dass der
burgundische Chronist Jean de Haynin 1465 beinahe selbstverständlich davon
aus ging, dass Antoine de Castelnau, ein Favorit Ludwigs XI., ertränkt worden
sei - obwohl dieser nur in Ungnade gefallen war und den Hof verlassen hat-
teW Seine fehlende Sichtbarkeit jedoch führte in diesem Fall automatisch zu
einer zwar falschen, aber offenbar dennoch als glaubhaft vorstellbaren
Schlussfolgerung.
Zweitens konnte das Ertränken durchaus auch auf eine breite öffentliche
Wirkung zielen, wie der Fall von Alexandre, Bastard von Bourbon, zeigt: Als
Anführer einer Gruppe EcordiCMrs und wegen seiner Verwicklung in die Pra-
gMene, einen Adelsaufstand gegen Karl VII., wurde er 1440 auf Geheiß des
Königs ertränkt.'90 Monstrelet betont explizit die enorme Wirkung dieser , die
diese unehrenhafte Todesart auf andere CapPames hatte - entsprechend
scheint die Hinrichtung Alexandres durchaus als abschreckendes Beispiel

SHcndHpdos HM/as' p/MH! dM/MSComodi. Basin, Louis XI, Bd. 1, S. 258. Basin zitiert hier
das Stück „Agamemnon" des Seneca: Non üdroi HMitpMMi rcgiMW L'won /dos und inm pMdonyMO /
td coniMgü säende/des e:des. Seneca, IX, S. 148 (V. 285) und 132 (V. 79-81).
i36 Vg], Oschema, Cruel end, S. 187.
13? Lehre de rerrdssior; für die Bewohner von St. Marsal, die im April 1363 einen Plünderer erträn-
ken, anstatt ihn dem örtlichen Gericht zu überantworten, Paris, AN, II 93, fol. 88 (Nr. 222); Leh-
re de remission für die Brüder Lorent des Choux, die zwei uedds ertränkten, weil die sich für eine
frühere Schlägerei rächen wollten, Mai 1415, II168, fol. 208 (Nr. 318), vgl. Verweis bei Roch,
Guerres, S. 60. Generell dazu: Schnerb, Armagnacs, S. 290; Challet, Mundare et auferre, Bd. 1,
S. 185-187; Wright, Knights, S. 94; Langlois/Lanhers, Introduction, S. 20; Freminville, Ecor-
cheurs, S. 135.
138 Siehe dazu Contamine, Charles VII, bes. S. 152-156, mit Quellenverweisen. Siehe auch Osche-
ma/Thiessen, Freundschaft, S. 184; Minois, Couteau, S. 68f.
139 Vg). Oschema, Cruel end, S. 188f., mit Quellenbelegen.
iio Zum Ertränken als entehrender Strafpraxis siehe Gonthier, Chätiment, S. 160f. Grundsätzlich
ist festzuhalten, dass das Ertränken damit keineswegs eine nur für Frauen typische Strafe war,
Schubert, Räuber, S. 97f.; Gonthier, Chätiment, S. 160f., dagegen Ohler, Sterben, S. 214—216.
 
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