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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0368

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21 Körper und Körperlichkeit

367

Schilderungen des Krieges funktionierten noch über 100 Jahre später
durchaus ähnlich, aber die Bilder scheinen drastischer geworden zu sein (man
denke an den von Chastellain beschriebenen Flamen Jean Vilain).^ Auch Jean
de Roye individualisierte die Schilderung eines Kampfes zum Jahr 1465 durch
den Blick auf einen einzelnen Krieger; seine Darstellungsweise aber ist um
einiges drastischer: Dem Krieger sei das Gesicht zerschmettert worden habe
ihm bis vor die Brust gehangen - dennoch blieb der Krieger selbst namenlos.^
Derartige Schilderungen werfen die Frage nach der optischen Wirkung
von Kriegsversehrten auf. Explizite Hinweise wie jener Jeans le Fevre auf die
Fußverletzung Jeans de Croy, wegen der er seit 1429 hinkte, bleiben sehen A
Olivier de Clisson verlor in der Schlacht von Auray 1364 ein Auge, wie
Froissart knapp erwähnt, ebenso Philipp von Saint-Pol 14203? Auch Karl der
Kühne wurde in der Schlacht von Montlhery am Hals verwundet und blieb
dauerhaft durch eine Narbe gezeichnet.^ Die dadurch bedingten Beeinträch-
tigungen oder Auswirkungen wurden aber kaum je weiter ausführt.Ob-
wohl aus vielen Schilderungen von Verwundungen klar sein dürfte, dass sie
die entsprechende Person dauerhaft zeichneten, werden derartige Versehrun-
gen (ebenfalls) ausgeblendet3°
Schilderungen von kampfbedingten Verletzungen wurden kaum um ihrer
selbst willen oder zur realistischen Beschreibung des Krieges in historio-
graphische Erzählungen eingebracht, sondern vielmehr, um anhand einer
Verwundung grundsätzlichere Fragen exemplarisch zu erörtern: Die kriege-
rische Tapferkeit, das ritterliche Benehmen im Kampf oder die allgemeine

24 Zum Stil Chastellains siehe Doudet, Poetique; Zumthor, Masque, S. 68f. Zur Tradition der
r/ic/or/pMcrs siehe Zingel, Frankreich, S. 33-37; Jung, Rhetoriqueurs.
25 DcSl/MC/z BOMrgM/gMOMS CM/M/ per CMÜ /MC dCMX, C/ CM/M/ pÜMS ClMp, düM/ / 'MM d'/ccMÜ/M/Jbr/ MHWC,
C/ /c/ZciMCM/ (?MC /OM/ /c dcUHM/ & SOM u/SH/gC /Ml^M/ H/iH/M d'MM COp d'cspCC, C/ /Ml pCMdo// /c u/SH/gC H SH
pcHM SMr SH pc//r/MC. Journal de Jean de Roye, Bd. 1, S. 60.
26 Mcss/rc Jc/iHM de Croi/ i//M/ pyb/c d'MM p/et /c/ZcwcM/ pMC, /OM/e sn u/c, dcwoMMH n/Jb/c. Chronique de
Jean le Fevre, Bd. 2, S. 148; Verweis bei Prietzel, Tod, S. 87. Zu Versehrten Körpern in der Frü-
hen Neuzeit vgl. Jahan, Renaissances, S. 31-36.
22 Zu Olivier de Clisson siehe S. 365, Amn. 17. Zu Philipp von Saint-Pol siehe Chastellain,
Oeuvres, Bd. 1, S. 123: Abis/ pM'/Z nuoi/ /cuc sn u/s/crc poMr MiicMX /es uo/r, ubi/ MM pMi s'eM nper^M/, c/
cc/ccwcM/ d'MMe /HMec /e u/M/ ep/errer droi/ HM dessoMS de Z'ocM/, c/ eM dcwcMm pr/uc /OM/e sn ui/c; pMC
dowwHge^id.
2s Ft /cdic/ eoM/e/M/ eM /res grHMd dHMg/er e/ eM/ p/Ms/eMrs eoMps, e/ eM/re HM//res MMg H /n gorge d'MMe
espee, doM/ Z'eMse/gMe /Mi/ es/ dewoMree /OM/c sn u/e. Philippe de Commynes, Memoires, Bd. 1, S. 28
(Id).
22 Eine Ausnahme ist die Schilderung des Journal de Jean de Roye, Bd. 2, S. 40-42, dem zulolge
Karl der Kühne nach seinem Schlachtentod 1477 nur anhand seiner Narben identifiziert wer-
den konnte; siehe auch Molinet, Chroniques, Bd. 1, S. 167f. Basin, Louis XI, Bd. 2, S. 344, spricht
vage von „geheimen körperlichen Merkmalen".
20 Siehe etwa folgende Schilderungen: F//M/ /cd// sc/gMCMr d'O^bwoM/ MHurc cnic/ZcMiCM/ OM u/sngc, c/
pHrc///cwcM/ p/Ms/cMrs de si's gi'MS. Monstrelet, Chronique, Bd. 4, S. 82 (ad a. 1421/22). Eine Aus-
nahme bildet hier der BoMrgeo/s, der anlässlich eines Kampfes 1429 mitteilt, die Armagnacs hät-
ten sich hier nur Schmerz und Unehre erworben, und viele seien für den Rest ihres Lebens ver-
letzt worden, denn vorher seien sie zwar gesund, aber dennoch verrückt gewesen, Journal d un
Bourgeois, S. 265 (§519). Grundsätzlich zu Behinderungen als Forschungsfeld der Mediävistik:
Nolte, Behindert.
 
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