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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0370

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21 Körper und Körperlichkeit

369

Die affektive Ebene von Schmerz und Qual wurde aber auch hier konsequent
ausgeblendet.
Blickt man vor diesem Hintergrund des Schreckens über körperliche Ver-
wundungen wiederum auf die Thematisierung von Verletzungen im Rahmen
kriegerischer Ge walk wird man auch hier fündig: So schildert etwa Jean
Froissart die Einnahme eines französisches Lager vor Valenciennes im Jahr
1340 durch flämische Krieger. Als sie das Lager nach zurückgelassener Aus-
rüstung und Lebensmitteln durchsuchten, entdeckten die Flamen einige noch
in ihren Zelten liegende französische Fußsoldaten, die ihren Rausch ausschlie-
fen. Die Flamen setzen daraufhin das Lager in Brand und verhinderten die
Flucht der nun in der Falle sitzenden Krieger, warfen sogar einen Flüchten-
den zurück in die Flammen. Froissart kommentiert, es sei ein großes Unglück,
wenn Christen einander derart gnadenlos töten A
Einmal mehr erscheinen in dieser Darstellung die Flamen in ihrem Han-
deln zwar als effektiv, aber bar jeglichen Bewusstseins für kulturelle, religiöse
oder ständische Sensibilitäten: Das Verbrennen der Gegner ist deshalb „un-
christlich", weil es in seiner Funktion als Strafritus bei besonders schweren,
als widernatürlich angesehenen Verbrechen (Ketzerei, Sodomie) den Körper
des Verurteilten vernichten und sollteA Einen solchen Umgang mit Kriegs-
gegnern bewertet Froissart hier als eindeutig unangemessen und impliziert,
die Flamen hätten sich damit außerhalb der AnstMtnMzs gestellt.
Dieselbe Logik greift bei einer Schilderung des Bourgeois de Paris im Rah-
men des innerfranzösischen Bürgerkriegs. Eine Gruppe Armagnacs habe An-
fang 1434 vor Paris einen englisch-burgundischen Versorgungszug überfal-
len. Sie stahlen das Vieh und die Lebensmittel, töteten den Großteil der geg-
nerischen Soldaten und nahmen die Händler gefangen, um Lösegeld zu er-
pressen. Nach ihrem Sieg suchten sie, wie üblich, das Schlachtfeld nach Ver-
letzten ab, und schnitten all denen, die ein englisches Zeichen trugen (also ein
rotes Kreuz) oder Englisch sprachen die Kehle durch, ganz gleich ob sie tot
oder lebendig waren. Es sei eine „große Unmenschlichkeit", so der Bourgeois,
„zum Schlachtfeld zurückzukehren und den Christen, die sie getötet hatten,
die Kehlen durchzuschneiden."^'
Das Töten ausschließlich der englischen Gefangenen deutet darauf hin,
dass die Armagnacs gegen diese eine gnerre morfeiie führten, wohingegen die
französisch-burgundischen Krieger auf eine Gefangennahme hoffen konnten.
Möglicherweise sollte dieser Kriegsmodus dadurch sichtbar gemacht werden,
dass man auch den toten Engländern die Kehle durchschnittA Bemerkens-

38 ToMMs/bis, d OM i/ Md MM tpd sad; dors, MMds d/M pn's per pMs et per gHMdvs et per dms, et Jedes eM MM
grgMfpM tpd esMd/ds deuHMf M dd Mgis, et M/M foMS ars. S; esf grHMS wesedMs de re t?Me cdresfdeM
desfndseMf eMs; d MMS Andre SHMS pde. Froissart, Chroniques ()iv. I & II), S. 276f. (1,105). Diese
Passage fehlt in der früheren Handschrift von Amiens.
3'' Gonthier, Chatiment, S. 163-166, sowie in dieser Arbeit S. 324 -327.
40 ds/deMf edereder M camp et Ms pn'soMMMrs, et foMS ceMX t?M'ds doMuereMf morfs OM ui/s tpd por AieMf M
se;*Mg d'AMgMis OM parMMMf HMgMis, ds MMr coMpereMf Ms gorges et HMX worfs et HMX ui/s, ^M; eMd
grHMde ;'MdMM!HM;'M & refoMrMer HM edamps et eoMper M gorge HMX edredeMS t?M'ds HuaMMf hMs. Journal
d'un Bourgeois, S. 329 (§638).
41 Siehe dazu den Kommentar Beaunes im Journal d'un Bourgeois, S. 329f., Fußnote 6.
 
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