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Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

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https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0398

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31 Ideal und Devianz

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ten der Bauern. Sie haben sich ihr einfaches Leben durch ihrer Hände Arbeit
verdienet und für ihr Vorgehen zuvor die Einwilligung ihres Herrn eingeholt.
So wird klar, dass sie keineswegs als Bedrohung der ständisch-sozialen Ord-
nung gesehen werden konnten (wie die /aojMds im Jahr zuvor). Mit derselben
Intention wird der Charakter Grand Ferres im Kontrast zu seiner körperli-
chen Größe als demütig und bescheiden beschrieben. Die Engländer erschei-
nen im Gegensatz dazu als arrogant und hinterhältig: Sie haben die Bauern
verachtet und geplant, den kranken Grand Ferre zu zwölft in seinem Bett zu
ermorden.
Durch die Gegenüberstellung der jeweiligen inneren Einstellungen wird
die Gewalt der Bauern gegen die englischen Krieger legitimiert. Erst in To-
desgefahr, als die Bauern bemerkten, dass die Engländer den CapBamo der
Bauern nicht gefangen nahmen, sondern töteten, wehrten sie sich vehement.
Die Zahl der durch Grand Ferre Getöteten wird dabei gleich drei Mal genau
angegeben (18, 60, 5) und illustriert damit nicht nur seine körperliche Überle-
genheit, sondern - ganz in ritterlicher Tradition - auch das Ausmaß seines
Siegs/6 Auch das Motiv der Eroberung des gegnerischen Banners gehört der
adlig geprägten Welt des Kriegs an und wird hier auf den Kampf der Bauern
übertragen, um ihren Erfolg zu symbolisieren/? Diesen definiert der Chronist
als gleichermaßen durch Gott und Grand Ferre bedingt/^ Als überlegene Fi-
gur dominierte der Held den Kampf und hatte damit maßgeblichen Anteil am
Sieg der Bauern. Diese Dominanz wahrte er in der Darstellung sogar trotz
seiner Krankheit, als er sich gegen ein Dutzend Engländer zur Wehr gesetzt
habe. Seinen Held ließ der Chronist Held schließlich nicht im Kampf, sondern
unbesiegt am Fieber sterben.
Seine eigentliche Absicht macht der Chronist dabei bereits ganz zu Beginn
deutlich: Er wolle exemplarisch einen von vielen Fällen schildern, in denen
die Engländer besiegt worden seien, und zwar von Bauern, den /actjMOS Bon-
homme, die diesen Kampf energisch ausgefochten hätten/^ Statt nationaler
Gegnerschaft, wie Simeon Luce sie sehen wollte, stand also vielmehr die
ständische Differenz der Kämpfenden im Mittelpunkt. Grand Ferre trat als
zupackender Held einer bäuerlichen Selbstverteidigungsbewegung auf, die
ihren Gefangen keine Lösegelder abpressen wollten, weil die Adligen, einmal
freigelassen, sich nur umso heftiger erneut gegen die Landbevölkerung wen-
den würden/o Das Schicksal der Gefangenen ließ der Chronist offen; ihre
Tötung hätte zwar als legitim angesehen werden können, schien für den
Chronisten aber nicht in (s)eine Heldengeschichte gepasst zu haben.

76 Vgl. Prietzel, Kriegführung, S. 118f.
77 Vgl. ebd., S. 336-339.
78 Deo anxiiianie ei Magno Ferrafo. Chronique dite de Jean de Venette, S. 210. Siehe auch Voienfe
Domino, ebd., S. 206.
79 Fi/nii negohnm per rnsiieos, sen Jae^ne Bonedomme, sirenne expediinm. Ebd., S. 206.
80 Fi aii^ni dene nodiies de Zingiicis capfi per iiios de iiio ioeo. Qnod si reddidisse eos pro peenniis, sieni
nodiies uiri A^Mni, uoinisseni, maxirnnm iMernm ad Zingiicis reporfassenf; sed noinernni.' ^ninimo
düernni (?Mod amodo eis noenmenia grauiora non in/errenf. Ebd., S. 212.
 
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