Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mauntel, Christoph; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Gewalt in Wort und Tat: Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich — Mittelalter-Forschungen, Band 46: Ostfildern, 2014

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34763#0414

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
31 Ideal und Devianz

413

ausführlich, wie er die Kinder missbrauchte, sie dann strangulierte, enthaup-
tete oder anderweitig verstümmelte und einige sogar ausweideteA" Zeugen
bestätigten dies und beschrieben, wie er die Kinder umbrachte, ihr Blut ver-
goss und ihnen beim Sterben zusah,'^' wie er ihre Köpfe verglich und seine
Helfer fragte, welcher der Schönere sei,'^ und wie er sich selbst gerühmt ha-
be, sich mehr am Töten der Kinder und am Anblick ihres Sterbens zu erfreuen
als an ihrem sexuellen Missbrauch.'^*
Die grauenerregende Dimension dieser Taten war den Zeitgenossen un-
mittelbar klar - und machte sie fassungslos, mitunter sogar sprachlos. In ei-
nem Brief, mit dem der Bischof von Nantes am 13. September aufgrund der
Gerüchte eine Untersuchung anordnete, schrieb er, die Schreckensnachrichten
könnten zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht erklärt werden, was man aber
zu gegebener Zeit (auf Latein) nachholen wollet Auch während des Verhörs
gaben sich die Kleriker mit der Erklärung Gilles nicht zufrieden, er habe die
Kinder nach eigenem Gusto und zur Befriedigung seiner Lust getötet, ohne
weitere Intentionen oder Zreled^ Die Taten erschienen ihnen so ungeheu-
erlich, dass sie eine solche vermeintliche Grundlosigkeit nicht als Erklärung
akzeptieren konnten, sondern zwei Mal nach den wirklichen Motiven nach-
fragten. Gilles wurde ungehalten und meinte, es gebe keine weiteren Gründe
und die genannten seien genug, „um 10 000 Männer zum Tod zu verur-
teilen."^
Das Verhalten Gilles' vor Gericht scheint auf den ersten Blick wider-
sprüchlich: Mal gab er sich konfrontativ, mal bat er die Kirche wegen der
Vergehen gegen sie um Vergebung.'^ Von seinem Helfer Frangois Prelati,
einem italienischen Priester mit vermeintlichem Wissen um Alchemie und
andere okkulte Praktiken, verabschiedete er sich am 21. Oktober nach einem
Verhör mit dem Hinweis, man werde sich zwar nicht in dieser Welt, sicher
aber im Paradies Wiedersehen.'^ Was Huizinga 1919 als „grausige Mischung"
aus Frömmigkeit und Verbrechen erschien, erklärte Kaeuper 1999 mit einer

iso Bossard, Gilles de Rais, S. XLIX. (Geständnis, 22.10.1440).
181 Ebd., S. XCIVf. [fälschlich als CXIV und CXV paginiert] (Aussage Henriet Griarts, 17.10.1440).
182 Ebd., S. XCII (Aussage Etienne Corrillauts, 17.10.1440).
183 Ebd., S.LXXXVII (Aussage Etienne Corrillauts, 17.10.1440), S.XCVIIf. (Aussage Henriet
Griarts, 17.10.1440). Siehe dazu Bataille, Proces, S. 309f.
184 pyopfer ipsorMW Eorrorem de presenfi non expiicHüdis, Mine ferne?! SM?'s loco ef fempore oporfMüis
deciHrnndis. Bossard, Gilles de Rais, S. III (Vorladung Gilles' de Rais, 13.09.1440).
i83 Sed ex proprio SMO sensu ef cepife ec pro cowpiicencM ef deiecfHcione süis iiMdinosis expiendis, ef non
pro tpiHOontpie eile infencione sco /ine. Ebd., S. XLV (Geständnis, 21.10.1440); ebenso S. L
(Geständnis, 22.10.1440).
i88 Hec dicens gHÜice; ,Vrei/e?Me?!f, ii n'i/ euoif HMfre CHMse,/in, ne infenfio?! ipie ce i/Me/'e uoMS ei/ dif./e
uoMS ei/ dif de plus grnns cEoses ipie n'esf cesf ei/, ef nssez poMrA?re monrir dix wdie Eommes/ Ebd., S.
XLVI (Geständnis, 21.10.1440). Siehe dazu Bataille, Proces, S. 289.
182 Bossard, Gilles de Rais, S. XXXIIf. (Verhör, 15.10.1440); siehe auch ebd., S. LVIII (Geständnis,
22.10.1440).
i88 Ebd., S. XLVII (Geständnis, 21.10.1440), vgl. dazu Minois, Charles VII, S. 238; Cazacu, Gilles de
Rais, S. 173f.; Bataille, Proces, S. 326f. und 322-337.
 
Annotationen