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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

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Siebentes Heft (Juli 1905)
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Schultz, Alwin: [Rezension von: Karl von Amira, Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels]
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Pazaurek, Gustav Edmund: [Rezension von: Ferdinand Laban, Heinrich Friedrich Füger, der Porträtminiaturist]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0163

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Juli-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

155

Schmerzes, der Trauer, der Verhöhnung und Ver-
spottung u. s. w. fesstellen können, und auch da
werden sich ältere und jüngere Formen wahr-
scheinlich ermitteln lassen.
Alwin Schultz
Ferdinand Laban, Heinrich Friedrich Füger,
der Porträtminiaturist 78 Abb. 74 S. Gr. 4°.
Berlin, G. Grote 1905. Preis 15 M.
In den mit ausserordentlichem Geschicke ge-
leiteten Jahrbüchern der preussischen Kunstsamm-
lungen erschien im vergangenen Jahre eine
grössere, reich illustrierte Arbeit über den Miniatur-
maler Füger. Man muss sich wundern, dass sich
die mitunter etwas bequemen Herren in Wien
ein so überaus dankbares und zugleich aktuell-
interessantes Thema, das zu manchen durch und
durch gelehrten, furchtbar wissenschaftlichen, aber
ebenso langatmigen Aufsätzen, wie auch ander-
seits zu manchen launig tändelnden und doch
nichts sagenden Feuilletons in erfreulichem Gegen-
sätze steht, entgehen liessen. Denn Füger, zwar
ein gebürtiger Heilbronner, der aber schon 1774
nach Wien übersiedelt und daselbst bis an sein
Lebensende mit grossem Fleisse zahlreiche Werke
schafft, die fast ausnahmslos die führenden Per-
sönlichkeiten der ersten Wiener Gesellschaft ver-
herrlichen, der Vater der österreichischen Mi-
niatur, dem man schon 1879 in Wien eine Aus-
stellung und seit dieser Zeit mehrere kleinere
Arbeiten (von Grasberger, Raab, Ilg und Frimmel)
gewidmet, wäre — etwa im Anschluss an die
Maria-Theresia- oder Kongressausstellungen — das
verlockendste Sujet gewesen. Aber Wien hat ge-
zögert, und Berlin hat diese Frage gelöst, und
zwar, wie gleich hinzugefügt werden muss, in der
besten und gewissenhaftesten Weise. Labans
Arbeit hat inzwischen eine ergänzte und erweiterte
Form gefunden, die auch die jüngsten Wiener Aus-
stellungsergebnisse bereits vollkommen berück-
sichtigt, und liegt uns in einem selbständigen, ab-
geschlossenen Buche vor, das vorzüglichste,
was über einen einzelnen Miniaturisten bis-
her überhaupt geschrieben wurde. — Dass
Laban sich ausdrücklich auf den Miniaturmaler be-
schränkt und nicht auch dessen langweilige,
klassizistische Oelgemälde grosser Formate mit
gleicher Gründlichkeit behandelt, war sehr wohl-
getan ; wollte er uns doch die interessante Per-
sönlichkeit näher bringen, höher schätzen lehren,
weshalb der olle lederne Onkel hübsch hinter den
Kulissen bleibt, während wir nur den liebenswür-
digen Günstling der Wiener Adels- und Kunst-
kreise kennen lernen. Das Porträt bildet bekannt-
lich selbst in den minder stolzen Partien der

Kunstgeschichte immer die beste Zuflucht; und
nun gar das Miniaturporträt, das in unseren
Tagen eine Modeleidenschaft xctr’ geworden
ist! Eine Miniaturenausstellung jagt besonders auf
österreichischem Boden die andere. Auf die
Reichenberger Ausstellung des Jahres 1903 ist An-
fang 1905 die noch viel grössere Wiener Aus-
stellung gefolgt, und dieser wieder hart auf der
Ferse die im Troppauer Museum; überall steht
Füger mit art erster Stelle. — Labans Werk be-
deutet daher für uns keineswegs eine Ueber-
raschung, sondern das naturnotwendige Eintreffen
einer mit tötlicher Sicherheit erwarteten Tatsache;
hätte er dieses Buch nicht geschrieben, hätt’ es
ein Anderer getan, aber wahrscheinlich lange nicht
so gut. Denn w i e diese Aufgabe gelöst wurde,
ist doch überraschend. Laban ist ein Mann, dessen
Interessensphäre sich bekanntlich keineswegs auf
das Gebiet der Kunstgeschichte allein beschränkt;
und dennoch ist z.B. die Literatur über das Miniatur-
porträt nebst Streiflichtern auf mitunter „berühmte“
Werke noch nie so gut und vollständig zusammen-
gestellt gewesen. Mit gutem Recht wird in dem
„kritischen Verzeichnis“ jedes einzelne Bildchen
genau so ausführlich behandelt, als hätte man es
mit einer Handzeichnung Lionardos oder Rem-
brandts zu tun. Der Autor, der auch die öster-
reichischen Privatsammlungen aus diesem Anlasse
einem eingehenden Studium unterworfen, macht es
sich natürlich nicht so bequem, als ob es sich nur
um einen rasch herzustellenden Ausstellungs-
katalog handelte, sondern unterwirft jedes einzelne
Bildchen der eingehendsten kritischen Ueber-
prüfung, vergleicht verschiedene Wiederholungen
mit einander, stellt neue Beziehungen fest, führt
vorhandene Stiche an, die zur Identifizierung oft
unerlässlich sind, geht liebevoll auch früheren Be-
sitzern oder Auktionen nach und dergleichen.
Hierbei kommt es ihm nicht darauf an, das Werk
Fügers, dessen Name heutzutage vom spekulativen
Handel jeder auch nur ganz beiläufig verwandten
Arbeit sofort beigelegt wird, ins ungemessene zu
vermehren, sondern bleibt auf dem streng reellen,
wissenschaftlichen Boden, führt nur 121 Nummern
an, von denen ei’ selbst noch manche als zweifel-
haft (weil derzeit verschollen undfrüherbei Auktionen
oder Ausstellungen nur unzulänglich beschrieben)
bezeichnet. — Das ist der richtige Weg, auf dem
die Sache selbst gefördert wird. Hier kann man
den Hebel ansetzen, um — was gewiss in den
nächsten Jahren wiederholt der Fall sein wird —
weitere Zuweisungen mit guter Begründung vor-
zunehmen. Jedenfalls wird Labans stattliches
Buch immer den Ausgangspunkt zu bilden haben
und hat sich z. B. auf der Troppauer Ausstellung
 
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