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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

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Siebentes Heft (Juli 1905)
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Wulff, Oskar: [Rezension von: Wilhelm Suida, Florentinische Maler um die Mitte des XIV. Jahrhunderts]
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https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0166

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158

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

Juli-Heft.

ohne „Raumkonstruktion“. Da verkennt er denn
doch ganz und gar die perspektivische Auffassung
des Höllenbildes, das wunderbar anschaulich den
Trichter des Inferno im Durchschnitt mit seinen
Ringgräben und Reisbrücken wiedergibt. Die Zu-
weisung des Marienlebens im Kreuzgang von S. M.
Novella an Nardo scheint sich mir keineswegs aus
der Vergleichung der Evangelistengestalten, sowie
des Thomas und Dominicus mit einzelnen Figuren
des Paradieses von selbst zu ergeben, sondern auf
einem Trugschluss aus gewissen ikonographischen
Aehnlichkeiten zu beruhen, einer Hauptquelle des
Irrtums im Trecento. Den Meister möchte ich
nach Kompositionstypen, Szenen- und Figurenbau
nach wie vor für einen der jüngeren Giottoschüler
halten (wie ein solcher auch die sehr zerstörten
Marien am Grabe auf der Gegenseite u. a. in nächster
Nähe gemalt hat.) Ansprechender ist die Heran-
ziehung zweier sichtlich nahe verwandter Madonnen,
einer Tafel der Sammlung Artaud de Montor und
der Freske im Klosterhof von S. Croce, für Nardo.
Ihnen lässt sich vielleicht — ich urteile aus freier
Erinnerung — als dritte noch eine an der süd-
lichen Hauptwand von S. Ambrogio anreihen. Um
in Nardo mit S. einen Andrea mindestens ebenbürtigen
„realistischer beobachtenden“ Künstler zu erkennen,
dazu reichen die Fresken der Strozzikapelle aus.
Für seine Kunst eine ganz andere Wurzel (Maso)
anzunehmen, liegt freilich darum noch kein Grund
vor. Dem dritten Bruder Jacopo gehört jedenfalls
ein wesentlicher Anteil an der ihm (urkundlich)
zur Vollendung übergebenen Matthäustafel Andreas
und nach S.’s (nur an Ort und Stelle nachzu-
prüfender) Bestimmung ein Heiligenpaar in Or S.
Michele und Verwandtes in S. Barnaba und S. M.
Novella. Die Kirchenväter am Hochaltar und der
heilige Gualberto in der Sakristei von S. Croce
geben sich hingegen meines Erachtens als jüngere
Werke aus der Nachfolge des Agnolo Gaddi zu
erkennen. In Jacopos (bezw. Andreas) Nähe
rückt dafür die Gruppe der von S. weiterhin unter
dem Namen des Alegretto Nutii, den er als
Schüler A. Orcagnas ansieht, zusammengestellten
und (Taf. XXIX—XXXI) abgeb. Bilder. Um ihre
Verknüpfung mit diesem 1346 in der Lukasgilde
genannten Florentiner (?) und dessen Nichtidentität
mit dem gleichnamigen Umbrer sicher zu stellen,
hätte er freilich das signierte Bild der Vat.-
Bibliothek reproduzieren müssen und die Nach-
prüfung nicht der mehr oder weniger frischen
Erinnerung des Lesers überlassen dürfen. Die
meinige reicht hier nicht aus, ebensowenig bei
der Tafel aus S. Ansano, dagegen wohl, um die
Zugehörigkeit der „Darstellung i. T.“ der Akademie
(N. 4) ganz entschieden in Frage zu stellen, — es

müsste denn auch die Krönung Marias der
Uffizien (Gerini genannt), welche sich im Colorit
und den Typen sichtlich als ein Werk derselben
Hand erweist, und dann wohl auch die (mir nicht
aus eigner Anschauung bekannte) nach S. mit ihr
zusammengehörige der National Gallery (aus
S. Piero Maggiore) diesem Meister zuzuweisen sein.
Die erstere zeigt im Frauentypus — sie und Acad.
N. 4 auch im physiognomischen Ausdruck die un-
verkennbare Einwirkung Giovannis da Milano,
die in den vorgenannten Bildern zum mindesten
nicht so stark ist (wohl aber von S. auch im Lon-
doner Bild erkannt wird). Für die Zusammen-
ziehung beider Gruppen reicht aber der in starker
Aufsicht gegebene Sitz und das übereinstimmende
Muster des Brokatteppichs (bezw. Fussbodens)
schwerlich aus. Selbst wenn man S.’s Hypo-
these von der Vererbung eines solchen Inventar-
stücks von Nardo auf Andrea, in dessen Werk-
statt jüngere Künstler es studiert haben sollen,
ernst nehmen wollte, — es handelt sich offenbar
nur um ein in diesem ganzen Kreise verbreitetes
Motiv der Schablonierung — verteilt dieses sich
ja auch bei S. auf verschiedene Künstler. Zu
streichen ist von der Alegrettoliste unter allen
Umständen das Hochaltarbild von S. M. Maggiore
als ein klarer Spinello. Eine weitere Persönlich-
keit, die ebenfalls bereits zwischen der Orcagna-
schule und dem Mailänder steht, hat S. vollkommen
zutreffend als den Meister des Altarbildes der
Cap. Rinuccini abgegrenzt, — fraglich bliebe allen-
falls das Bild aus S. Ansano, und hinzuzufügen
wäre seinen Werken noch eine grosse Verkün-
digung in der Sammlung des Findelhauses, —
während Puccio di Simones Kunst ihre Wurzel
überhaupt nicht in Florenz (nach S. in Daddis
Schule), sondern in Siena hat, wo das Säugemotiv
der Madonna (der Coll. Artaud de Montor, deren
Signatur S. gewiss mit Recht auf den Autor des
gänzlich übermalten Akademiebildes bezieht), sowie
das Liegemotiv des Kindes (daselbst) heimisch ist.
Giovanni da Milano (1350—1369 in Florenz
und Rom beurkundet) ist für S. die künstlerische
Hauptkraft im dritten Viertel des Trecento, der
geniale Erretter der Kunst von dekorativer Ver-
flachung, der bedeutendste Vertreter des Monu-
mentalstils zwischen Giotto und Masaccio: — eine
arge Ueberschätzung dieses in gewisser Rich-
tung allerdings sehr wichtigen Meisters. Dass
seine Charakteristik bei S. sich verwirrt, daran ist
zum Teil der verfehlte Ausgangspunkt schuld, den
der Verfasser in den Fresken der Rinuccinikapelle
nimmt. Wenn man sich die Frage vorlegt, in
welchem seiner Werke G. sich am reinsten als
eine eigenartige Persönlichkeit darstellt, so war
 
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