Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 1.1905

DOI Heft:
Siebentes Heft (Juli 1905)
DOI Artikel:
Wulff, Oskar: [Rezension von: Wilhelm Suida, Florentinische Maler um die Mitte des XIV. Jahrhunderts]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.50013#0167

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Juli-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

159

vom signierten Altar in Prato auszugehen, den ja
zudem auch S. für älter ansieht und dem er an
sich völlig gerecht wird. Als seine auf unverkenn-
barem Naturstudium beruhenden Vorzüge fallen
in die Augen: die sichere Behandlung der Figur
in mannigfaltigen Stellungen, der Reichtum an
„markanten“ und realistischen Typen, das „ver-
schmolzene Inkarnat“, wie das schöne Kolorit j
überhaupt, die verständnisvolle und —, wie be-
sonders betont werden muss, — von einem ganz
neuen Gefühle für das Stoffliche in seinem gravi-
tierenden Zuge belebte Gewandbehandlung. Alles das
trifft auch für die sicheren Tafelbilder Giovannis
der Uffizien (Heiligenpaare) und der Akademie
(Pieta von 1365) zu und beweist, dass seine ganze
Stärke und Ueberlegenheit in der Tafelmalerei
liegt. Sie verraten zugleich eine Zunahme des
Herben. Von dem, was ihm nach S. sonst noch
gehört, rechtfertigt die Kreuzigung der Coll. Artaud
de Montor, soweit die etwas unbestimmten Repro-
duktionen ein Urteil erlauben, anscheinend eine
solche Zuweisung, — bei der Madonna hingegen
weist der Typus und die feine Auffassung der Ge-
stalt des Kindes in die allernächste Nähe der
Lorenzetti, ohne dass die Abbildung eine klare
Entscheidung' zuliesse. Die Verkündigung des
Museo Civico in Pisa muss zweifelhaft bleiben, da
es hier wieder an der erforderlichen Reproduktion
fehlt. Für die kleine Krönung der Galleria
nazionale scheinen mir immer noch Schmarsows
und Schub rings Vorschläge (Daddi und Orcagna)
der Wahrheit näher zu kommen. Ebensowenig
vermag ich die Handschrift Giovannis in der
Freske von S. Niccolö in Prato zu erkennen trotz
Crowe und Cavalcaselle. Eine Madonna im. Privat-
besitz in Modena scheint vollends auf deren
alleinige Autorität hin aufgenommen zu sein. So
bleibt als unzweifelhafte Arbeit Giovannis nur das
Madonnenaltärchen mit Nebenszenen der Galleria
nazionale, wo es ihm bereits zugeteilt ist, übrig,
das aber schwerlich ein Frühwerk darstellt, viel-
mehr schon die verblasenen Typen und Flüchtig-
keiten der Rinuccinikapelle auf weist. Denn in
dieser offenbart sich uns Giovanni allerdings am
vollkommensten — in seinen Schwächen nämlich,
d. h. in seiner mangelnden Befähigung für die
Freske. Wissen wir doch auch, dass er hier ins
Gedränge kam und sich eine Verlängerung der
ausgemachten Frist erwirken musste. Ihm deswegen
die minderwertigsten (unteren) Bilder an beiden
Wänden absprechen und einen Gehilfen dafür an-
nehmen, der ihm dann doch so nahe kommt, das
heisst, den in den Urkunden gegebenen Fingerzeig
willkürlich von der Hand weisen. Dass Giovanni
in den besseren Szenen sein Können und seine

Kraft der Modellierung der Gestalt hier wieder,
selbst bis zur Härte bewährt, sei ohne weiteres
eingeräumt. Die höchste Leistung sind ja auch
für S. die Einzelfiguren der Propheten. Aber nur
so weit Plastik der Erscheinung die Empfindung
des Räumlichen steigert, nicht durch anschauliche
Gestaltung hat er nach dieser Seite Bedeutung.
An origineller Raumkonstruktion fehlt es ebenso,
wie an lebendiger Dramatisierung. Der gleich-
mässig gespannte Ausdruck seiner „bäurischen
Typen“ kennt keine Abstufung. Die Bewegung
ist oft recht lahm. Wo S. beides so zu rühmen
weiss, im Bilde der Zurückweisung Joachims, er-
kennt er doch selbst zugleich eine „grossartige“
(sic!)' Repräsentationsszene. In diesem einzigen
entschiedeneren Versuch zentraler Komposition
blickt aber nur allzusehr die Gruppierung des
Flügelaltars (vgl. die Uffizientafel) hindurch, und
die angeblich fast fehlerlose Perspektive mit ein-
heitlichem Verseh Windungspunkt ist nichts als
symmetrische Zusammenordnung von entgegenge-
setzten Seiten stark über Eck gesehener über-
wölbter Räume (ohne Fluchtlinien). Giovannis
übrige Architekturen stellen seitliche Ansichten
kleiner offener Gebäude dar, und wo sie grössere
Verbände bilden, sind es zwar solidere Bauten als
die der Gaddischule, aber sie haben kein Verhält-
nis zu den Figuren und stehen ganz unvermittelt
in der Landschaft, deren Formen unentwickelt
(bezw. verschliffen) erscheinen. Von klarem Raum-
zusammenhang, wie bei Taddeo Gaddi ist in
solchen Fällen keine Rede. Nach S. hat letzterer
in der Cap. Baroncelli „nur das Rohmaterial zu-
sammengetragen“, das Giovanni künstlerisch ge-
staltet. Ohne Voreingenommenheit wird man viel-
mehr in der Rinuccinikapelle fast nur Plagiat und
Contamination sehen können. Wo G. von T. ab-
weicht, wird er wieder- „ceremoniell“, wie in der
Geburtsszene, oder bietet im besten Falle etwas wie
vergrösserte Predellenstücke (Gastmahl bei Simon
und Lazaruserweckung) mit einer Anzahl Statisten.
Es ist freilich verlorne Liebesmüh, solche Kunst
aus Florenz ableiten und Giovanni an Daddis
ältere Bestrebungen wie Orcagna, an dessen Alters-
stil anknüpfen zu wollen, um schliesslich die
beiden gegen einander auszuspielen. Die Frage
des oberitalienischen Ursprungs tut S. trotz des
Beinamens Giovannis nicht gerade verneinend, aber
ziemlich kurz ab, — bei Orcagna wirft er sie nicht
einmal auf, obgleich schon Schubring manches da-
für geltend gemacht hatte. Beide Künstler stellen
nun durchaus keine Gegensätze dar, und die These
von dem Zurückfallen Daddis in reine Flächen-
dekoration, die bereits eine zu starke Zuspitzung
erfahren hatte, ist von S. viel zu sehr verallge-
 
Annotationen