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Rheinische Musen — 2,1.1795

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Journal für Theater und andere schöne Künste
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Der blinde Sänger (Eine Erzählung)
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https://doi.org/10.11588/diglit.49528#0110

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lob

Der blinde Sanger.
(Eine Erzählung.)
An der Thüre deS Grafen von A. -- halt eins
glänzende Equipage; — ein junger Rath — schon—-
munter und geputzt wie ein Kammerjunker , springt
heraus, fliegt mit ein paar Sprüngen die Treppe
herauf, und ist mit dem letzten in der Mitte deS
Saals — in einem Zirkel schöner Weiber — die
alle sogleich aufstehen, und mit einem affektirtenTou
von Freude schreien: " Ach unser lieber Senville!
Ha! da ist die Seele unsers Zirkels. — Nun, wo
kommen Sie her? vermuthlich aus dem Rath? „
"Ja, meine Damen, in der That —die Themis ist
es, die mir die Augenblikke geraubt hat, die ich gern der
schonen Gesellschaft gewidmet hatte — die gute Göttin
hat etwas ernsthaftes in ihrem Wesen — und ich ge-
stehe, sie hat mir heute einige Langeweile gemacht. „
"Kein Rechtsfall von Bedeutenheit? „
"Nicht das geringste. Ich bin bald gestorben
über all das trockne pedanrische Gewäsch, daö ich mit
anhören muste. — Doch ja eins. — Ein armer 80
jähriger Greis verlangte seinen rückständigen Unter-
halt von seinem Sohne, der ihn ihm durchaus nicht
bezahlen will. „
"Er ist also wohl selbst sehr arm, dieser Sohn?,,
"Gökt bewahre! im Gegemheil! ein wahrer
Crösns —- aber ein Herz wie Stein — ein Undank-
barer — ach! wie es deren so viele giebt. — Er
schwelge, indeß sein Vater vor Hunger verschmachtet.,,
" Entsetzlich! „
 
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