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Białostocki, Jan [Gefeierte Pers.]
Rocznik Muzeum Narodowego w Warszawie: In memoriam Jan Białostocki — 35.1991 [erschienen] 1993

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II. Ostatnie prace Jana Białostockiego
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Białostocki, Jan; Michalski, Sergiusz [Hrsg.]: Das Arnolfini-Bildnis als Deutungsgegenstand und als Deutungsansporn
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https://doi.org/10.11588/diglit.19643#0161

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kommender bedeutendste und dem Maler sozial und physisch der nachste war — wird von
den letzten Forschern, die iiber das Gemalde geschrieben haben (Alistair Smith und
Jan Baptist Bedaux) wieder angenommen.

Der schon von Hans Kauffmann hervorgehobene sakramentale Charakter der Ver-
mahlungsdarstellung durch van Eyck wurde besonders von Robert Baldwin in seinem
ausfuhrlichen Aufsatz 1982 ausgearbeitet. Die auf dem Rahmen des Spiegels dargestellten
Szenen aus der Passion Christi verweisen auf den Ursprung aller Sakramente. So wie Christi
Vermahlung, mit der Kirche durch seine Passion ermóglicht wurde, so ist das Leiden Christi
auch die sakramentale Quelle der christlichen Ehe.

Alistair Smith hat in einer sehr ausgewogenen Darstellung (1977) des Standes
der Forschung die kunstlerischen und ikonographischen Gehalte des Bildes gewiirdigt.
Indem er alle Beitrage in eine synthetische Sicht des Gemaldes zusammenbrachte, hat er in
einem wichtigen Punkt Panofskys Deutung ais anfechtbar gefunden. Schon Friedlander
meinte unverbindlich und Panofsky fiihrte den Gedanken weiter, dass die Form der
Unterschrift und das Erscheinen der zwei Menschen im Spiegel, wie sie durch die Tur
das Zimmer betreten, auf eine Funktion des Malers ais Zeuge dieser ohne Priester
geschlossenen Ehe und auf eine Funktion des Bildes ais Dokument dieser Eheschliessung
verweise. Nun hat Smith richtig beobachtet, dass Jan van Eyck in mehreren seinen Bildnissen
eine Datierung angebracht hat, die den Monat und Tag genau angibt. Sollte das
Arnolfini-Bildnis unter anderem ais Eheschliessungsschein fungiert haben, so kónnte man
erwarten dass, gerade dieses Gemalde bis auf den Tag genau datiert werden sollte. Das ist
aber bekanntlich, nicht der Fali. Ob man aber aus diesem Tatbefund notwendigerweise
definitive Schliisse — wie es Smith getan hat — ziehen muss ist m.E. keineswegs sicher.

Noch ein Element hat bei der Deutungsgeschichte des Arnolfini-Bildnisses mitgespielt.
Seit langem hat man gewusst, dass Van Eyck ein heute nicht existierendes Bild gemalt hatte,
das im 17. Jahrhundert in der Galerie des flamischen Kunstsammlers Cornelis van
der Geest aufbewahrt war und aus der Darstellung dieser Galerie im Bilde von Willem van
Haecht (heute im Rubenshuis in Antwerpen) bekannt ist. Im Jahre 1969 hat das Fogg Art
Museum der Universitat Harvard in Cambridge, Massachusetts eine alte, wohl verkleinerte
Kopie dieses Gemaldes gekauft. Sie zeigt eine nackte jungę Frau bei der Toilette in
Gesellschaft einer anderen, bekleideten und ein wenig alteren Frau in einem Innenraum, der
— mit dem Fenster links, dem Bett rechts, mit dem kleinen Hund und einem konvexen
Spiegel — an den des Arnolfini-Bildes erinnert. Julius S. Held suggerierte, noch bevor
die Kopie gefunden wurde, dass diese Werke irgendwie miteinander verbunden sein miissten.
Er meinte, dass das Toilettenbad ein rituelles Bad vor der Heirat zeige. Sogar die Deutung
der Identitat der nackten Frau ais Giovanna Cenami wurde vorgeschlagen wahrend in
der zweiten, bekleideten Frau man Margarete van Eyck sehen wollte. Die Ausmasse
der Kopie erlauben jedoch nicht die Bilder in einem direkten Zusammenhang zu bringen. Es

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