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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0057
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das ebenfalls in St Dominik in der Vorhalle des Eingangs sich befindet und hier
der Vollzähligkeit, nicht des künstlerischen Wertes wegen mit aufgeführt werden mag.
Ehe wir den weiteren Spuren sienesischer Kunstübung in Neapel nachgehen,
wie wir sie mehr und mehr mit neapolitanischem Einschlag versehen finden, haben
wir einen Blick auf den dritten bedeutenden Meister zu werfen, den die Anjoinen
an ihren Hof zogen, den größten von allen, den Florentiner Jotto. Wahrlich, eine
bessere Grundlage für die Entwicklung eines eigenen neapolitanischen Kunstschaffens
ist kaum denkbar: Es ist dasselbe glänzende Dreigestirn, das wir in Assisi an der
Arbeit sehen. Und auch das ist kein Zufall. Der erste Versuch, das Ideal eines
weltlichen Rechtsstaates zu verwirklichen, war durch die siegreiche Hand Karls von
Anjou auf dem Felde von Benevent zertrümmert worden. Im geraden Gegensatz
zu den Idealen der Hohenstaufen kam durch die Anjoinen eine Weltanschauung zur
Geltung, deren Ziel die politische Vormacht der Kirche mit dem Papsttum an der
Spitze bildet. Um es zu verwirklichen und die Massen dafür zu gewinnen, brauchte
man die fanatische Kraft der Bettelorden, der mächtigsten Stützen der kirchlichen
und welfischen Partei. Daher ist es nur folgerichtig, daß dieselben großen Meister,
die ihre Kunst in Assisi der glänzendsten Verherrlichung der Macht von Kirche,
Papsttum und Bettelorden zur Verfügung gestellt hatten, auch in Neapel von den
Anjoinen, die mit Perugia und Assisi in enger politischer Verbindung standen, zu
dem Zwerke verwendet werden, die mit Blut, Gewalttätigkeit und Nichtswürdigkeiten
aller Art erworbene und erhaltene weltliche Macht als gehorsame Dienerin der geist-
lichen zu verewigen und mit dem glorreichen Heiligenscheine höchster Kunst zu um-
geben. Daß sie nicht Wurzeln schlagen konnte, daß schon nach einem Jahrhundert
unerhörter Mißregierung ein neues Herrschergeschlecht in Neapel einziehen mußte,
ist eine jener geschichtlichen Vergeltungen, wie sie als Wirkung und Gegenwirkung
im Leben der Völker häufig verzeichnet sind.

IV
Jottos Hand auf Neapeler Boden nachzuweisen, ist bisher nicht gelungen, weil seine
Werke anscheinend schon frühzeitig untergegangen sind. Auch sein Einfluß
ist nicht so leicht zu erkennen, wie man es früher wohl annahm. Er mischt sich
mit dem des Kavallini und der Sienesen unentwirrbar zu einer örtlichen Kunst,
die selber zu schwach, sich zum Eigenen zu entwickeln, bald wieder von neu
hinzukommenden Fremden überwältigt wird. Bei diesem Stande der Dinge wird
sich unsere Untersuchung darauf beschränken, möglichst genau festzustellen, wo Jotto
urkundlich in Neapel gearbeitet hat, um so vielleicht den Weg zur Wiederauffindung
seiner Arbeiten frei zu machen. Zu diesem Zwecke suchen wir die Überlieferung
von irreführenden Zutaten zu befreien und Jottos Tätigkeit auf urkundlicher Grund-
lage so genau wie möglich zu umgrenzen, es den Neapeler Forschern überlassend,
 
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