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links der Besuch des hl. Karl beim hl. Filipp Neri ein Werk des Bernhardin
sein. Schließlich mag noch hervorgehoben werden, daß Giannone, nachdem er
seinen Gegner De D. der Länge und Breite nach ausgeschrieben hat, wohl als seine
eigene Meinung bemerkt, er habe drei Gottesmütter des Meisters gekannt, die der
Sanitä, die in der Kirche der hl. Empfängnis der Schwester Ursula (f 20. Ok-
tober 1618), was bei dem Zusammenhang dieser Schwestern mit den Teatinern wohl
möglich ist, und in der Bruderschaft des Monte-di-Dio, was, wie wir oben sahen,
auf einem Irrtum beruht
XL VIII
Der Spanier Ribera, der glaubenstiefe, unbeugsam fleißige, einbildungsarme, tief im
Boden der Wirklichkeit schürfende Künstler, eine Natur wie Zola, blieb den Nea-
politanern zeitlebens fremd, und auch sein künstlerisches Erbe, das in direkter Linie zu
Murillo und Velasquez, d. h. den Landsleuten führt, haben sie nur in rein äußer-
lichen Dingen angetreten. Die im Grunde von duldsamer Gutmütigkeit getragene Natur
des Neapolitaners hat keine Anlage zu irgend einer Art des Fanatismus, sei es, daß
er sich religiös in der Inquisizion, künstlerisch im Ausarbeiten tiefliegender Probleme
zeigt, oder daß es sich nur um zähen Fleiß beim Ablaufe seiner täglichen Pflichten
handelt. »Leben und leben lassen«, predigt die Sonne Neapels; und deshalb ist der
Mann seines künstlerischen Herzens nicht der tiefgründige, licht- und farbenschwere
Spanier, sondern der Allerweltskünstler Lukas Jordano, dessen Erbe im folgenden
Jahrhundert dann sein gleichgearteter Genosse Solimena antritt, um es bis zur Neige
aufzubrauchen.
Bei Jordano handelt es sich nicht mehr um ernste künstlerische Probleme, son-
dern nur noch um die Befriedigung des täglichen Bedürfnisses nach malerischer
Pracht in Palast und Kirche. Wie kann man in kürzester Zeit die denkbar größte
Fläche so bemalen, daß sie allen höheren Tagesansprüchen genügt, das ist das
»Problem«; und man sieht, daß bei seiner Läsung nicht der ringende Genius eines
großen Meisters, sondern die jeweilige Höhe der künstlerischen Ansprüche der Menge
den Ausschlag gibt Solchen Ansprüchen gegenüber bedarf es im neapolitanischen
17. Jahrhundert eines Meisters, der alle hervorstechenden Eigenschaften seiner nor-
dischen Kollegen virtuos zu vereinigen und mit leichter Hand seinen Bestellern die
vor keiner Größe zurückschreckenden, keinem anerkannnten Stile fremden Aufträge
möglichst prunkvoll auszuführen weiß. Dabei unterschätze man nicht das technische
Können, das verlangt und, wenn auch mit Aufgebot zahlloser Hilfskräfte, geboten
wird. Man war noch zu nahe an der Zeit, da fehlerloses Zeichnen und tadellose
Pinselführung die selbstverständliche Grundlage der Malkunst bildeten, um ohne ein
gutes Maß dieser Fertigkeiten einen Namen und Reichtümer zu erringen.
Der Mann, der allen diesen Ansprüchen auf das Vollkommenste genügte, war
links der Besuch des hl. Karl beim hl. Filipp Neri ein Werk des Bernhardin
sein. Schließlich mag noch hervorgehoben werden, daß Giannone, nachdem er
seinen Gegner De D. der Länge und Breite nach ausgeschrieben hat, wohl als seine
eigene Meinung bemerkt, er habe drei Gottesmütter des Meisters gekannt, die der
Sanitä, die in der Kirche der hl. Empfängnis der Schwester Ursula (f 20. Ok-
tober 1618), was bei dem Zusammenhang dieser Schwestern mit den Teatinern wohl
möglich ist, und in der Bruderschaft des Monte-di-Dio, was, wie wir oben sahen,
auf einem Irrtum beruht
XL VIII
Der Spanier Ribera, der glaubenstiefe, unbeugsam fleißige, einbildungsarme, tief im
Boden der Wirklichkeit schürfende Künstler, eine Natur wie Zola, blieb den Nea-
politanern zeitlebens fremd, und auch sein künstlerisches Erbe, das in direkter Linie zu
Murillo und Velasquez, d. h. den Landsleuten führt, haben sie nur in rein äußer-
lichen Dingen angetreten. Die im Grunde von duldsamer Gutmütigkeit getragene Natur
des Neapolitaners hat keine Anlage zu irgend einer Art des Fanatismus, sei es, daß
er sich religiös in der Inquisizion, künstlerisch im Ausarbeiten tiefliegender Probleme
zeigt, oder daß es sich nur um zähen Fleiß beim Ablaufe seiner täglichen Pflichten
handelt. »Leben und leben lassen«, predigt die Sonne Neapels; und deshalb ist der
Mann seines künstlerischen Herzens nicht der tiefgründige, licht- und farbenschwere
Spanier, sondern der Allerweltskünstler Lukas Jordano, dessen Erbe im folgenden
Jahrhundert dann sein gleichgearteter Genosse Solimena antritt, um es bis zur Neige
aufzubrauchen.
Bei Jordano handelt es sich nicht mehr um ernste künstlerische Probleme, son-
dern nur noch um die Befriedigung des täglichen Bedürfnisses nach malerischer
Pracht in Palast und Kirche. Wie kann man in kürzester Zeit die denkbar größte
Fläche so bemalen, daß sie allen höheren Tagesansprüchen genügt, das ist das
»Problem«; und man sieht, daß bei seiner Läsung nicht der ringende Genius eines
großen Meisters, sondern die jeweilige Höhe der künstlerischen Ansprüche der Menge
den Ausschlag gibt Solchen Ansprüchen gegenüber bedarf es im neapolitanischen
17. Jahrhundert eines Meisters, der alle hervorstechenden Eigenschaften seiner nor-
dischen Kollegen virtuos zu vereinigen und mit leichter Hand seinen Bestellern die
vor keiner Größe zurückschreckenden, keinem anerkannnten Stile fremden Aufträge
möglichst prunkvoll auszuführen weiß. Dabei unterschätze man nicht das technische
Können, das verlangt und, wenn auch mit Aufgebot zahlloser Hilfskräfte, geboten
wird. Man war noch zu nahe an der Zeit, da fehlerloses Zeichnen und tadellose
Pinselführung die selbstverständliche Grundlage der Malkunst bildeten, um ohne ein
gutes Maß dieser Fertigkeiten einen Namen und Reichtümer zu erringen.
Der Mann, der allen diesen Ansprüchen auf das Vollkommenste genügte, war