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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0230
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XXXIV
Die Überlieferung, wie sie sich meist auf den Fälscher stützt, gibt ein anderes Bild
von Beiisar Korenzio als das, welches wir aus geschichtlichen Daten ge-
winnen. Nach jener war Korenzio ein Grieche, der von künstlerischer Sehnsucht
getrieben auf einem Kauffahrteischiff nach Venedig gelangt und dort in die Schule
des Tintoretto getreten sei. In Neapel habe er sich bald durch Talent und Ge-
riebenheit an die Spitze der Künstler geschwungen und nun eine mit allen, auch den
verwerflichsten Mitteln aufrecht gehaltene Art Gewaltherrschaft ausgeübt. Neid und
Habsucht seien seine Triebfedern, Machenschaften, Drohbriefe, ja Gift und Dolch
seine Mittel gewesen. Durch ihn sei Guido aus Neapel vertrieben, Domenikino das
Leben dort unmöglich gemacht worden. Prüft man alle Zeugnisse, auf die diese und
ähnliche Anklagen sich stützen, wie denn auch der fromme kleine Spanier Ribera als
eine Art Franz Moor hingestellt wird, der mit Dolch und Gift durch die Neapler
Kunstgeschichte schleicht, prüft man alle Umstände näher, so ergibt sich entweder die
völlige Haltlosigkeit oder doch die Unmöglichkeit, irgend einen Beweis dafür zu er-
bringen. Daß man in Neapel der 1500 und 1600 nicht mit derselben Sicherheit
lebte wie heute, und daß anderseits die Ränke einer zahlreichen Künstlerschaft oft
leidenschaftlich gehässige Formen mögen angenommen haben, ist ohne weiteres zu-
zugeben. Sehen wir aber alle Laster Neapels auf die Fremden gehäuft, alle Tugenden
den Einheimischen vorbehalten, so wissen wir, woran wir sind.
Nun scheint aber Korenzio gar kein Fremdling im vollen Sinne des Wortes
gewesen zu sein. Als er sich im Jahre 1615 zu Lebzeiten in der Kirche von S. Severin
und Sos io seinen Denkstein setzte, erklärte er darauf in Latein und Griechisch, er sei
ein zweiter Protogenes, ein Arkadier, also ein Grieche, stände aber schon seit seinen
Knabenjahren in königlichem Gehalte, wie er denn nach den Rechnungsbüchern
der königlichen Kammer noch 1611 ein solches Gehalt bezieht. Da nun ein Eintrag
vom 1. April 1572 ebendort besagt, daß Estamati Corenzi und sein Sohn Gioan
Corenzi, Griechen, jener 16 Dukaten, dieser 9 Dukaten monatlich vom Hofe be-
ziehen, so ist zwar an der griechischen Abstammung dieser Familie nicht zu zweifeln:
es dürfte aber auch wahrscheinlich sein, daß unser Korenzio als Sohn eines Be-
amten in Neapel geboren wurde.
Als geschickter Grieche war er allen Neapler Künsten gewachsen und machte
dort seinen Weg, wir wissen nicht, in welcher Schule. (d’Arpino?) Ein sizilianischer
Maler namens Manno (Manso?) erzählt in seinen (nicht veröffentlichten) Erinnerungen:
»Wenn man eine Arbeit schnell wollte ausgeführt haben, so wandten sich Brüder,
Priester und Herren an Don Beiisar. Und Don Beiisar hatte kaum von einer Decke
oder einem Gewölbe sprechen hören, die es auszumalen galt, so ließ er schon in
schnellem Einverständnis mit seinen Gerüstbauern die Malbrücke aufrichten, die er
sofort bezahlte, und installierte sich dort schneller als ein Ritter, der in den Sattel
steigt. Auf diese Weise schnitt er jedem den Weg ab, der versucht hätte, ihm zu-
 
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