150
XXI
Ein kleines Werk vom Jahre 1485, das sich in der Kapelle des Rubin Oaleotto
im Dome befindet und eine Gottesmutter mit Kind und dem Stifter darstellt,
wird trotz bemerkenswerter Ähnlichkeiten mit dem Restitutabilde als »der umbrisch-
flandrisch-neapolitanischen Schule sich nähernd« angesprochen. Was man sich darunter
vorstellen soll, ist nicht ganz klar. Da das Restitutabild jünger, der venezianische Ein-
schlag aber unverkennbar ist, so darf man das (übrigens durch Übermalung sehr ent-
stellte) Bild wohl einem Venezianer geben, der sonst in Neapel nicht vertreten ist
und in die Nachfolge der Vivarini gehört. Die stehende Gottesmutter entblößt mit
der Linken die Brust, auf die das Kind die linke Hand legt, mit der Rechten segnend.
Die Rechte der Jungfrau trägt das Kind. Die Goldteile, Heiligenschein und Säume,
sind frisch übermalt, das übrige besser erhalten. Die Gottesmutter trägt ein rotes
Kleid und blaugrünen Mantel. Der Kopf ist sehr rund, die schönen Hände haben
lange schlanke Finger mit sehr langen Nägeln. Die Nase ist kurz, der Mund und
das Kinn nicht groß. Die Augen haben hervorquellende obere Lider. Ein Schleier-
tuch zeichnet sich durch feine Fältelung aus. Der Fleischton ist warm. Das Kindchen
trägt einen breiten Leibgurt über dem Hemdchen, das in feinen sauberen Fältchen
liegt. Sein Kopf ist beinah viereckig, die Nase kurz, der Mund klein; das rechte
heraufgezogene Bein und sein Fuß sehen aus wie verstümmelt. Auch hier haben
die Augen bezeichnende hervorquellende Oberlider. Unten links kniet in schöner
Rüstung der Stifter, der die Hände zum Beten erhebt. Im Hintergrund einige Felsen.
(Das Bild scheint schon frühzeitig »gedoktort«, der Stifter erst später hinzugefügt zu
sein. Nach der Inschrift des Grabsteins starb Rubin 1445. Die Mache des Ritters
ist sehr fein, Haar und Harnisch sind aufs sauberste aufgeführt. Das Bild lohnt eine
nähere Untersuchung.)
Ebenso allein stehend, aber nur der Kuriosität wegen hier genannt ist die große
Altartafel (3,47 : 2,53) in S. Genariello, die (wie die S. 103 u. 120 besprochenen Bilder)
aus S. Patrizia stammt. Das beste daran ist der alte Rahmen, der in sechs Tafeln
unten einen großen Tod Mariens, links davon den hl. Johannes den Täufer, rechts
eine hl. Klara (?, es ist lediglich die Abschrift der hl. Katerina des daneben stehen-
den Bildes), darüber eine Krönung Mariens, links den hl. Plazidus, rechts den
hl. Anton von Padua darstellt und mit einer entsetzlichen Staffel versehen ist, die in
sechs Bildchen Vorgänge aus dem Leben des Heilandes gibt. Es ist in Farbe wie
Zeichnung ein höchst unangenehmes Machwerk, das sich aus allerlei Kopien zusammen-
setzt, so daß einzelne Teile wie z. B. der Engel unten rechts ganz gewandt und spät,
andere wieder kindisch hölzern und unglaublich ungeschickt erscheinen, wie der Mann
mit den abgehaunen Händen zu Füßen der Bahre Mariens, der von dem ersten besten
sizilianischen Wagen stammen könnte. Das Fleisch ist ganz unmodelliert, die Farbe
schreiend, die Zeichnung unter jeder Kritik. Es trägt aber in der rechten Ecke ein
Handzeichen, aus dem man Amato lesen will: Amato der Jüngere, der 1535 ge-
XXI
Ein kleines Werk vom Jahre 1485, das sich in der Kapelle des Rubin Oaleotto
im Dome befindet und eine Gottesmutter mit Kind und dem Stifter darstellt,
wird trotz bemerkenswerter Ähnlichkeiten mit dem Restitutabilde als »der umbrisch-
flandrisch-neapolitanischen Schule sich nähernd« angesprochen. Was man sich darunter
vorstellen soll, ist nicht ganz klar. Da das Restitutabild jünger, der venezianische Ein-
schlag aber unverkennbar ist, so darf man das (übrigens durch Übermalung sehr ent-
stellte) Bild wohl einem Venezianer geben, der sonst in Neapel nicht vertreten ist
und in die Nachfolge der Vivarini gehört. Die stehende Gottesmutter entblößt mit
der Linken die Brust, auf die das Kind die linke Hand legt, mit der Rechten segnend.
Die Rechte der Jungfrau trägt das Kind. Die Goldteile, Heiligenschein und Säume,
sind frisch übermalt, das übrige besser erhalten. Die Gottesmutter trägt ein rotes
Kleid und blaugrünen Mantel. Der Kopf ist sehr rund, die schönen Hände haben
lange schlanke Finger mit sehr langen Nägeln. Die Nase ist kurz, der Mund und
das Kinn nicht groß. Die Augen haben hervorquellende obere Lider. Ein Schleier-
tuch zeichnet sich durch feine Fältelung aus. Der Fleischton ist warm. Das Kindchen
trägt einen breiten Leibgurt über dem Hemdchen, das in feinen sauberen Fältchen
liegt. Sein Kopf ist beinah viereckig, die Nase kurz, der Mund klein; das rechte
heraufgezogene Bein und sein Fuß sehen aus wie verstümmelt. Auch hier haben
die Augen bezeichnende hervorquellende Oberlider. Unten links kniet in schöner
Rüstung der Stifter, der die Hände zum Beten erhebt. Im Hintergrund einige Felsen.
(Das Bild scheint schon frühzeitig »gedoktort«, der Stifter erst später hinzugefügt zu
sein. Nach der Inschrift des Grabsteins starb Rubin 1445. Die Mache des Ritters
ist sehr fein, Haar und Harnisch sind aufs sauberste aufgeführt. Das Bild lohnt eine
nähere Untersuchung.)
Ebenso allein stehend, aber nur der Kuriosität wegen hier genannt ist die große
Altartafel (3,47 : 2,53) in S. Genariello, die (wie die S. 103 u. 120 besprochenen Bilder)
aus S. Patrizia stammt. Das beste daran ist der alte Rahmen, der in sechs Tafeln
unten einen großen Tod Mariens, links davon den hl. Johannes den Täufer, rechts
eine hl. Klara (?, es ist lediglich die Abschrift der hl. Katerina des daneben stehen-
den Bildes), darüber eine Krönung Mariens, links den hl. Plazidus, rechts den
hl. Anton von Padua darstellt und mit einer entsetzlichen Staffel versehen ist, die in
sechs Bildchen Vorgänge aus dem Leben des Heilandes gibt. Es ist in Farbe wie
Zeichnung ein höchst unangenehmes Machwerk, das sich aus allerlei Kopien zusammen-
setzt, so daß einzelne Teile wie z. B. der Engel unten rechts ganz gewandt und spät,
andere wieder kindisch hölzern und unglaublich ungeschickt erscheinen, wie der Mann
mit den abgehaunen Händen zu Füßen der Bahre Mariens, der von dem ersten besten
sizilianischen Wagen stammen könnte. Das Fleisch ist ganz unmodelliert, die Farbe
schreiend, die Zeichnung unter jeder Kritik. Es trägt aber in der rechten Ecke ein
Handzeichen, aus dem man Amato lesen will: Amato der Jüngere, der 1535 ge-