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In der Gottesmutter des NM., die bald der Schule des Fiorenzo di Lo-
renzo, bald dem Melanzio gegeben wird (84263. 0,45b :0,75 h. Holz. Abb. 77),
kreuzen sich venezianische und florentinische Einflüsse, die vielleicht aus dem gleich-
zeitigen Aufenthalt der Donzelli und des Zigeuners in Umbrien zu erklären sind. Die
Halbfigur der Gottesmutter steht vor einem Brokatvorhang hinter einer Steinbrüstung
und hält das mit einem Vogel spielende stehende Kristkind. Der Ausblick durch
ein Fenster fehlt. Auch sind die Gesichtsformen, die Farbe und die Faltengebung
des (übrigens stark übermalten) Bildes nicht solarisch. Dagegen ist der Halsausschnitt
derselbe wie beim Altarbilde von Osimo. Auch das Kristkind ähnelt sehr den für
Anton Solario beglaubigten: die erhobene Hand ist ebenso in Osimo; am Halse hängt
das ganz gleiche Korallenstückchen wie beim Wertheimerbilde, und die Mutter bauscht
hier mit der Rechten, dort mit der Linken in gleichartiger Weise einen Zipfel des
an den Körper des Kindes gehaltenen Tuches. Dabei spielt das Kind auf beiden
Bildern mit einem gleichgeformten Vogel am Faden, einem Zwitter zwischen Krähe
und Staar, steht hier wie dort auf steinerner Brüstung u. ä. m. Am oberen Rande
der Brüstung sieht man die Jahreszahl 1484. Die überschmierte Mittelplatte trug eine
anscheinend religiöse Inschrift, rechts befand sich ein Wappen mit steigendem Löwen
nach rechts; die Buchstaben O. S. daneben sind auf die ursprünglichen aufgemalt.
Neben dem linken Schilde mit drei schwarzen wagrechten Balken auf Gold liest man
die Buchstaben I. R. Nach dem Kataloge ist die Tafel für die Familie Alfano in
Perugia angefertigt. Ein Aufenthalt Solarios in dieser Stadt ist aber aus den vielen
umbrischen Anklängen in seinen Fresken durchaus wahrscheinlich, ohne daß man
ihm unsere Tafel zuschreiben könnte. — Über andere Werke, bei denen sich die
Solario- und Donzellikreise überschneiden, wird weiter unten die Rede sein.
XVIII
Es entspricht der größeren Anzahl von Werkstattgenossen, die Solario bei den
Fresken des Platanenhofes beschäftigte, daß wir eine Reihe von Werken antreffen,
die an den Zigeuner anklingend doch in ihrer Art recht verschieden von einander sind
und bald mehr den venezianischen, bald den umbrischen oder anderen Karakter des
Meisters betonen. Allen gemeinsam ist nur eine gewisse Minderwertigkeit, die sich
in der Oberflächlichkeit der Auffassung und Ausführung breit macht und sich schnell
von der frischen und würdigen Lebendigkeit des Solario entfernt. Als Mittelpunkt
zweier Gruppen, die wir mehr zur Übersicht über das verwickelte Gebiet, denn als
durch eine ausgesprochene stilistische Übereinstimmung bedingt zusammenstellen
St-Paul gehören zum Teil ursprünglich dem Ende der 1400 an und könnten wohl dem
Donzellikreis eingereiht werden, wenn die schlechte Übermalung nicht jedes abschließende
Urteil unmöglich machte. Dargestellt sind die Verkündigung, die Geburt, die Drei Könige,
die Beschneidung, Pfingsten, Himmelfahrt, Auferstehung und Verklärung.
In der Gottesmutter des NM., die bald der Schule des Fiorenzo di Lo-
renzo, bald dem Melanzio gegeben wird (84263. 0,45b :0,75 h. Holz. Abb. 77),
kreuzen sich venezianische und florentinische Einflüsse, die vielleicht aus dem gleich-
zeitigen Aufenthalt der Donzelli und des Zigeuners in Umbrien zu erklären sind. Die
Halbfigur der Gottesmutter steht vor einem Brokatvorhang hinter einer Steinbrüstung
und hält das mit einem Vogel spielende stehende Kristkind. Der Ausblick durch
ein Fenster fehlt. Auch sind die Gesichtsformen, die Farbe und die Faltengebung
des (übrigens stark übermalten) Bildes nicht solarisch. Dagegen ist der Halsausschnitt
derselbe wie beim Altarbilde von Osimo. Auch das Kristkind ähnelt sehr den für
Anton Solario beglaubigten: die erhobene Hand ist ebenso in Osimo; am Halse hängt
das ganz gleiche Korallenstückchen wie beim Wertheimerbilde, und die Mutter bauscht
hier mit der Rechten, dort mit der Linken in gleichartiger Weise einen Zipfel des
an den Körper des Kindes gehaltenen Tuches. Dabei spielt das Kind auf beiden
Bildern mit einem gleichgeformten Vogel am Faden, einem Zwitter zwischen Krähe
und Staar, steht hier wie dort auf steinerner Brüstung u. ä. m. Am oberen Rande
der Brüstung sieht man die Jahreszahl 1484. Die überschmierte Mittelplatte trug eine
anscheinend religiöse Inschrift, rechts befand sich ein Wappen mit steigendem Löwen
nach rechts; die Buchstaben O. S. daneben sind auf die ursprünglichen aufgemalt.
Neben dem linken Schilde mit drei schwarzen wagrechten Balken auf Gold liest man
die Buchstaben I. R. Nach dem Kataloge ist die Tafel für die Familie Alfano in
Perugia angefertigt. Ein Aufenthalt Solarios in dieser Stadt ist aber aus den vielen
umbrischen Anklängen in seinen Fresken durchaus wahrscheinlich, ohne daß man
ihm unsere Tafel zuschreiben könnte. — Über andere Werke, bei denen sich die
Solario- und Donzellikreise überschneiden, wird weiter unten die Rede sein.
XVIII
Es entspricht der größeren Anzahl von Werkstattgenossen, die Solario bei den
Fresken des Platanenhofes beschäftigte, daß wir eine Reihe von Werken antreffen,
die an den Zigeuner anklingend doch in ihrer Art recht verschieden von einander sind
und bald mehr den venezianischen, bald den umbrischen oder anderen Karakter des
Meisters betonen. Allen gemeinsam ist nur eine gewisse Minderwertigkeit, die sich
in der Oberflächlichkeit der Auffassung und Ausführung breit macht und sich schnell
von der frischen und würdigen Lebendigkeit des Solario entfernt. Als Mittelpunkt
zweier Gruppen, die wir mehr zur Übersicht über das verwickelte Gebiet, denn als
durch eine ausgesprochene stilistische Übereinstimmung bedingt zusammenstellen
St-Paul gehören zum Teil ursprünglich dem Ende der 1400 an und könnten wohl dem
Donzellikreis eingereiht werden, wenn die schlechte Übermalung nicht jedes abschließende
Urteil unmöglich machte. Dargestellt sind die Verkündigung, die Geburt, die Drei Könige,
die Beschneidung, Pfingsten, Himmelfahrt, Auferstehung und Verklärung.