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====== enn antike Baukunst und Bildnerei auch heute noch im Kunstleben der
W Völker eine Rolle spielen, so ist die antike Malerei längst tot Daß sie
uns trotz ihrer natürlichen Vergänglichkeit überhaupt erhalten bleiben
-I konnte, verdanken wir ja zum größten Teile nur der furchtbaren Kata-
strofe, die Pompeji begrub. In den ersten Jahrhunderten des Kristentums spiegeln
die kristlichen Malereien der Katakomben die alte Kunst noch wider. Aber mehr
und mehr, wie das Mittelalter vorrückt, entschwindet das künstlerische Leben, die
heitere Zeit der »Götter Griechenlands«, und keine Brücke verbindet mehr die Kunst
der mittelalterlichen Malerei Neapels mit der kristlichen Antike, die wir daher nur
flüchtig berühren1).
Spärlich nur sind die Reste, die wir aus frühkristlicher Zeit an malerischen
Kunstwerken in Neapel besitzen. Es sind die Mosaiken der Johanneskapelle
und die Malereien der Katakomben. Wie jenes kleine Gebäude baulich von
Bedeutung erscheint, so bieten auch die Mosaiken ein ganz besonderes Inter-
esse. Die neuere Forschung unterscheidet bei ihnen zwar nach wie vor zwei Stile:
nämlich den klassischen der Mosaiken von Rom und Pompeji mit feinen Über-
gängen der einzelnen Farbentöne, und den des im Mittelalter sich ausbreitenden,
der ohne solche Übergänge helle und dunkle Töne unvermittelt nebeneinander setzt
Die Heiligen zur Seite der Fenster mit klassischen Köpfen ebenso wie der Wunder-
bare Fischfang und der Rand mit Tieren und Pflanzen wie auch die Evangelisten-
zeichen in den Ecken gehören dem ersteren Stile an, während in der Samariterin,
der Hochzeit zu Kana und namentlich in dem Gesetzgebenden Krist, der ganz dem
späteren Tip entspricht, der zweite Stil zur Geltung kommt. Trotzdem sind sie
1) Was Gregorovius (Wanderjahre III, 13. Leipzig 1895) sagt, ist ganz ebenso
irrig wie die Annahme, das bloße Dasein von älteren Kunstwerken wirke auf die Nach-
welt und reize zur Nachahmung, oder, wie man es in einem Zeitalter, wo man alles durch
Erziehung glaubt erreichen zu können, ausdrückt: erziehe zur Kunst: »Die Plastik, welche das
römische Wesen durchaus zu bestimmen scheint, hat auf Neapel keinen Einfluß: eher und
fast allein nur die Malerei, und ganz unbezweifelt das heitere Freskowerk von Pompeji,
welches überall nachgebildet in die Augen fällt. Je phantastischer, desto beliebter.« Auch
ist es wunderlich, behaupten zu wollen, Pompeji hätte in dieser (übrigens schwer auffind-
baren »überall sichtbaren« Nachbildung) eingewirkt, da es doch unter der Asche begraben lag!