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Nicht als ob auch sie nicht im Laufe der Zeit arg mitgenommen und einen
großen Teil ihres ursprünglichen Reizes eingebüßt hätten: wie wäre das auf Neapler
Boden anders denkbar! Hier in diesen stillen Klostergängen waren die Banden Ruffos
einquartiert. Seilwinder hatten dort später Jahrelang ihr Gewerbe aufgeschlagen. Besucher
aus allen Jahrhunderten (einer vom Jahre 1570) haben ihre törichten Namen eingeritzt.
Allein, zerstörend für Kunstwerke pflegt erst der »Kenner« zu werden, der sich ans
»Herstellen« macht: dreimal widerfuhr den Fresken des Platanenhofes dies mörderische
Schicksal: zuerst schon im 16. Jahrh. von einem gewissen Mazzarese; dann »restau-
rierte« 1759 ein Maler namens Anton della Gamba daran herum; am verhängnis-
vollsten aber arbeitete unsere Zeit, die Herstellung vom Jahre 1869. Wenn die
Bilder trotzdem noch genießbar geblieben sind, so ist das wohl der beste Beweis
für ihre unverwüstliche Schönheit.
»Mitten in der Stadt, in dem am meisten bevölkerten und geräuschvollsten
Viertel berührt uns der Platanenhof von S. Severin wie eine weit der Welt entrückte
Stätte. Die schöne majestätische Platane steht in der Mitte und erfüllt ihn ganz mit
ihren weit ausgebreiteten Zweigen, und unter dem ungeheuren Schirme wachsen be-
scheiden einige Aranzien. Das Licht, das von oben hereinströmt und durch das
Blattwerk dringt, nimmt bläuliche, milde, ernste Töne an und breitet über das tiefe
Schweigen eine liebliche und stille Trauer . . .«
Ein Teil des zum Kloster der Benediktiner gehörigen Gartens, in dem die Platane
stand1), wurde in den Jahren 1457—63 durch die neue Klosteranlage zum Hofe. Es
scheint, daß dieser schon 1460 fertig war. Die Ausmalung ist erst später ausgeführt
worden, hat offenbar lange gedauert und ist auch dann noch unvollendet geblieben.
Sie erstreckt sich nur auf die beiden Wände, die sich vom Eintretenden rechts und
links hinziehen (Nord- und Ostwand. Fig. 13). Jede Wand sollte 10 Bilder haben;
erhalten sind 20 viereckige im Bogen abschließende Felder, von denen das 20.
wegen der (später eingebrochenen?) Eingangstür schon auf die Südwand fällt.
Dargestellt ist das Leben des hl. Benedikt nach den Gesprächen Gregors
des Großen2). Der Aufbau folgt bei allen Bildern dem gleichen Grundsätze: In eine
landschaftliche Umgebung mit hochgelegenem Gesichtskreis, bei der in liebevoller
Vertiefung bald das Bauwerk, bald Wald und Fels, bald mit Städten und Hügeln
bedeckte, von Flüssen durchzogene Fernsichten vorwiegen, werden nach alter Art
mehrere Vorgänge gestellt, deren wichtigster sich im Vordergründe mit einem großen
Aufwande von Personen abspielt. Es ist die epische Breite des würdigen Heiligen-
1) Sie ist als einziges Stück der orientalischen Abart auch botanisch bemerkenswert
2) Die älteste und vorbildliche Darstellung des Benediktlebens ist wohl die des Spi-
nello Aretino in S. Miniato (um 1386); eine andere folgt um die Wende des Jahrhunderts
im Klostergange der Abtei von Florenz; die bedeutendste im Klosterhofe von Montoli-
veto bei Asciano von Signorelli (1497—98) und Sodoma (1505). Aus der nordischen
Kunst wird man die Tafel des Jan Mostert von Harlem (1500—40) im Brüsseler M. gern
zum Vergleich heranziehen.
Nicht als ob auch sie nicht im Laufe der Zeit arg mitgenommen und einen
großen Teil ihres ursprünglichen Reizes eingebüßt hätten: wie wäre das auf Neapler
Boden anders denkbar! Hier in diesen stillen Klostergängen waren die Banden Ruffos
einquartiert. Seilwinder hatten dort später Jahrelang ihr Gewerbe aufgeschlagen. Besucher
aus allen Jahrhunderten (einer vom Jahre 1570) haben ihre törichten Namen eingeritzt.
Allein, zerstörend für Kunstwerke pflegt erst der »Kenner« zu werden, der sich ans
»Herstellen« macht: dreimal widerfuhr den Fresken des Platanenhofes dies mörderische
Schicksal: zuerst schon im 16. Jahrh. von einem gewissen Mazzarese; dann »restau-
rierte« 1759 ein Maler namens Anton della Gamba daran herum; am verhängnis-
vollsten aber arbeitete unsere Zeit, die Herstellung vom Jahre 1869. Wenn die
Bilder trotzdem noch genießbar geblieben sind, so ist das wohl der beste Beweis
für ihre unverwüstliche Schönheit.
»Mitten in der Stadt, in dem am meisten bevölkerten und geräuschvollsten
Viertel berührt uns der Platanenhof von S. Severin wie eine weit der Welt entrückte
Stätte. Die schöne majestätische Platane steht in der Mitte und erfüllt ihn ganz mit
ihren weit ausgebreiteten Zweigen, und unter dem ungeheuren Schirme wachsen be-
scheiden einige Aranzien. Das Licht, das von oben hereinströmt und durch das
Blattwerk dringt, nimmt bläuliche, milde, ernste Töne an und breitet über das tiefe
Schweigen eine liebliche und stille Trauer . . .«
Ein Teil des zum Kloster der Benediktiner gehörigen Gartens, in dem die Platane
stand1), wurde in den Jahren 1457—63 durch die neue Klosteranlage zum Hofe. Es
scheint, daß dieser schon 1460 fertig war. Die Ausmalung ist erst später ausgeführt
worden, hat offenbar lange gedauert und ist auch dann noch unvollendet geblieben.
Sie erstreckt sich nur auf die beiden Wände, die sich vom Eintretenden rechts und
links hinziehen (Nord- und Ostwand. Fig. 13). Jede Wand sollte 10 Bilder haben;
erhalten sind 20 viereckige im Bogen abschließende Felder, von denen das 20.
wegen der (später eingebrochenen?) Eingangstür schon auf die Südwand fällt.
Dargestellt ist das Leben des hl. Benedikt nach den Gesprächen Gregors
des Großen2). Der Aufbau folgt bei allen Bildern dem gleichen Grundsätze: In eine
landschaftliche Umgebung mit hochgelegenem Gesichtskreis, bei der in liebevoller
Vertiefung bald das Bauwerk, bald Wald und Fels, bald mit Städten und Hügeln
bedeckte, von Flüssen durchzogene Fernsichten vorwiegen, werden nach alter Art
mehrere Vorgänge gestellt, deren wichtigster sich im Vordergründe mit einem großen
Aufwande von Personen abspielt. Es ist die epische Breite des würdigen Heiligen-
1) Sie ist als einziges Stück der orientalischen Abart auch botanisch bemerkenswert
2) Die älteste und vorbildliche Darstellung des Benediktlebens ist wohl die des Spi-
nello Aretino in S. Miniato (um 1386); eine andere folgt um die Wende des Jahrhunderts
im Klostergange der Abtei von Florenz; die bedeutendste im Klosterhofe von Montoli-
veto bei Asciano von Signorelli (1497—98) und Sodoma (1505). Aus der nordischen
Kunst wird man die Tafel des Jan Mostert von Harlem (1500—40) im Brüsseler M. gern
zum Vergleich heranziehen.