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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 27.1909

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Nr. 3
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Beck, Paul A.: Zum Hütkinderwesen
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Kleinere Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.22620#0063

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47

dem Ersuchen um Aufschluß einzusenden,
um dann in der Presse diesen für Deutsch-
land unliebsamen und unzutreffenden
Darstellungen und Ausstreuungen ent-
gegentreten zu können. Das Reichs-
kanzleramt, welchem natürlich wie allen
Kreisen in Deutschland diese amerikanische
Schauermähr überraschend kam, wandte
sich in der Sache an das württembergische
Ministerium d. I., dieses an die Donau-
kreisregierung in Ulm, letztere an das
hiebei hauptsächlich in Betracht kommende
Grenzoberamt Tettnang und dieses wieder
an den Verfasser der vorgenannten Ab-
handlung um Aufschluß über die als
„Sklavenmarkt" verschrieene Art der Ver
dingung der „Tiroler Hütkinder". Man
darf sich der Hoffnung hingeben, daß
von maßgebender Seite die nötige Auf-
klärung nach Amerika wird gegeben worden
sein. Auch der Landlagsabgeordnete
Kiene streiste im w. Landtag (114.
Sitzung vom 27. Juni v. I.) bei Be-
ratung des Gesetzes betr. die Kost- und
Pflegekinder diese stark aufgebauschte An-
gelegenheit und führte dieselbe an der
Hand des in meiner Abhandlung nieder-
gelegten Materials auf das richtige Maß
zurück.
Wir sind, wie schon früher gesagt, weit
davon entfernt, den herrschenden Zustand
für einen idealen anzusehen, aber so, wie
die in unserer Abhandlung des Langen
und Breiten erörterten Dinge stehen, ist
und bleibt er auf absehbare Zeit immer
noch der beste. Die Kinder und deren
Eltern sind mit diesem ihrem Loos zu-
frieden, Dienstgeber wie Dienstnehmer
sind feit einem Jahrhundert auf dieses
periodische Dienstverhältnis angewiesen
und damit gegenseitig einverstanden; die
Hütkinder werden nicht schlecht gehalten,
kehren mit beträchtlichem Lohn, wohlge-
nährt und gesund nach Hause zurück,
stehen in der Ferne unter leiblicher nnd
sittlicher Obhut, insbesondere seit Jahren
unter der Kontrole des segensreichen
Schutzvereines für die Hütkinder. Eben-
sowenig kann eine Ungesetzlichkeit bei der
Sache gefunden werden, soferne die Hüt-
kinder nach der österreichischen bezw.
tirolischen Schulgesetzgebung vom 15.
März bis 1. November eines Jahres
vom Schulbesuch entbunden sind und es

der württembergischen oder badischen Re-
gierung nicht zusteht, ihre schulgesetzlichen
Bestimmungen auf die einem andern
Staate angehörenden Hütkinder anzu-
wenden.
Aleinere Mitteilungen.
— ak. Der Schussenrieder Bibliothek-
saal, über welchen bereits in der lit. Beil, des
w. St.°A. Nr. 13/14 vom 15. Oktober 1897,
S. 209 ff. eine größere Arbeit von B. Rueß vor-
liegt, enthält manche Porträte und auch manche
Anspielungen aus die Zeitgeschichte re. Der be-
rühmte Sch. Universalgelehrte und Künstler k.
Kaspar Mohr vom Busenberg Gde. Schwein-
hausen (geb. 1575, gest. 6. Juni 1625 im Bade
Jebenhausen bezw. Göppingen, beerdigt in Rech-
berghausen), welcher ja auch „das Fliegen
probierte" (s. Beck in Sonntagsbeil, des „d.
Volksbl." Nr. 40 v. 1899), ist bekanntlich auch
daselbst über der Figur des Aristoteles sich er-
hebend mit Flügeln in den Händen im Bilde
verewigt (Beck, Sch. Festschrift, S. 36). An
der Ostseite der Kuppel ist Christus der Ge-
kreuzigte und darüber der Himmel abgebildet,
um welchen sich alles concentriert. Dieser
Kreuzigungsgruppe gegenüber, aus der West-
seite, findet sich eine Szene aus der Geschichte
des Prämonstratenserordens abgebildet.
Dieselbe stellt nämlich eine Audienz dar, welche
die Vertreter des früher in Frankreich hochan-
gesehenen und verbreiteten Norbertinerordens,
darunter vor Allen der bedeutende Marchthaler
Prälat Nikolaus Wirieth (geb. 1634 zu Füßen
i. A., gest. 1691 im Kl.) anläßlich des nach
Prämonstrat in Frankreich von dem Ordens-
general Michael Colbert ausgeschriebenen General-
kapitels vor dem allgewaltigen König
Ludwig XIV. von Frankreich, »Io roi so-
Isii«, 1686 im Königsschloß zu Versailles er-
hielten. Seb. Sailer schreibt über diese
Audienz, welche den ganz besondern Stolz
der Ordensgemeinde bildete und daher auch
der Verewigung im Sch. Bibliotheksaal für
würdig erachtet wurde, in seinem „jubilierenden
Marchthal" (S. 252/253, M. 1771): „. . . Bey
dem großen Ordenskapitel zu Prämonstrat war
der Lykurg unseres Instituts (nämlich Abt
Wirieth) aus den Leuchter gestellt. Nicht nur
bewunderte man seine Ratschläge rc. zum Besten
des Prämonstratenserordens, sondern er mußte
als erster Abgesandter desselben nach
Versailles an den Hof Ludwigs des Gr.
oder XIV. abgehen, um bei dem Throne
dieses Monarchen die Angelegenheiten des Or-
dens und dessen Anempfehlung veranstalten.
Seine gesetzte Wohlredenheit, seine standesge-
mäße Stellung zogen sich die höchste Gnade
eines so durchdringenden und witzigen Königs
auf das vollkommenste zu. Er wurde von ihm
nicht nur in gnädigsten Zusagen des Anver-
langten zum Besten des Ordens gewürdigt, son-
dern der Sonnenkönig ließ Prälat Nikolaus,
an dem er einige Zeichen des Podagras be-
merkte, durch seine Lustschlösser nnd Gärten in
einem Tragsessel von zweien seiner Schweizer-
 
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