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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 27.1909

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Nr. 7
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Beck, Paul A.: Über alte Glasmalerei, vornehmlich in Schwaben, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22620#0114

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98

hispanischen Provinzen entgegen, woraus
hervorgeht, daß um diese Zeit auch in
Italien, Frankreich und Spanien reines
durchsichtiges Glas verfertigt worden ist.
Ja — ein Künstler soll zu Kaiser Tiberius
Zeiten die Mischung einer Glasart,
welche sich biegen ließ, erfunden haben,
aber man vernichtete sein ganzes La-
boratorium, aus Sorge, es möchte diese
Erfindung dem Wert des Erzes, Silbers
und Goldes Eintrag tun. Aber dieselbe
wurde unter Neros Regierung wieder
aufgefunden; 2 danach gefertigte feine
Becher, sog. „geflügelte", galten 6000 Se-
stertien, nach unserem Gelde ungefähr
600 Mk. Auch in Sizilien soll später
Glas von der Eigenschaft eines bieg-
samen Metalls erfunden, aber nach des
Erfinders Ableben wieder in Vergessen-
heit begraben worden sein. Nach Pli-
nius Zeugnis erreichte das Glas solche
Vollkommenheit, daß es so weiß und
durchsichtig als Kristall aussah. Noch
erwähnt derselbe Plinius Kunststücke
aus Glas, welche in musivischer Art aus
kleinen Glasstücken zusammengekittet
waren, als eine ganz neue Erfindung
seines Zeitalters. Ferner wurde das
Glas zu Anfertigung von Trän en -
Phiolen gebraucht, dergleichen aus
Glas man häufig in alten Grabmalen,
besonders in den Katakomben zu Rom
gefunden hat. In der christlichen Kirche
soll der Bischof Zephyrinus (fi 219)
zuerst die hl. Gefäße aus Glas, anstatt,
wie vor ihm seine Vorgänger, nur von
Holz, im Gebrauche gehabt haben, an
deren Stelle Urban I. (fi 224) silberne,
sein Nachfolger Pontianus (f 235) hl.
Gefäße vou Gold eingeführt hat. Zeugen
hiefür: Walafried Strabo, Platina, Po-
lydor. Aber — von einer allgemeinen
Verwendung des Glases zu allen mög-
lichen Bedürfnissen war damals noch nicht
die Rede. Die Vorstufe zur Fenster-
oder Glas-Malerei, also zu einer
künstlerischen Verwertung des Glases
bildet dessen Benützung zu Kirchen -
fenstern. Um das Jahr 250 n. Ehr.
will man schon die ersten Glasfenster
und zwar, da weißes Glas damals noch
sehr selten war, aus gefärbtem Glase ge-
funden haben. Seit dem 6. Jahrhundert
wurde das Glas zuerst in Frankreich,

dann auch in Deutschland, zu Kirchen-
fenstern verwendet. Gregor in Tours,
ja schon Lactantius im 4. Jahrhundert
sprechen von mehr- und vielfarbigen Fen-
stern. In den Wohnhäusern im All-
gemeinen bürgerten sich Glasfenster erst
ziemlich spät ein; noch im 11./12. Jahr-
hundert hatten die vornehmsten Städte-
bewohner noch keine Glasfenster in ihren
Häusern; Glasfenster sah man nur in
bischöflichen Kirchen re., in vornehmen
Klöstern und fürstlichen Palästen. Das
weiße Glas scheint überhaupt erst seit
dem 14. Jahrhundert in allgemeineren
Gebrauch gekommen zu sein. Wie nun
Alles, was die Natur oder Kunst dem
Menschen darbietet auf vielfache Weise
und zu verschiedenen Zwecken und Ge-
brauch bearbeitet und vervollkommnet
wird, so blieb das Glas auch bald nicht
mehr nur das Verwahrungsmittel, die
Wohnungen vor dem Eindringen der
Kälte oder Nüsse zu schützen und sie zu
erhellen, sondern es wurde mit der Zeit
ein Gegenstand äußerer Pracht. Dieser
Fenstergebrauch in den Kirchen ver-
anlaßte im 10. Jahrhundert in den
Kirchen des Abendlandes eine neue Seite
der schon bestehenden Kirchenpracht (nicht
bloß die Bemalung der Kirchenwände),
die Fenstermalerei, Fenstergemülde,
Kirchenfenster aus gefärbtem Glase, für
welche in der Folge die von der christ-
lichen Religion entflammte Liebe zu der
Malerei die Kenntnis fand, mit feuer-
beständigen Farben auf die Fensterscheiben
durchsichtige Gemälde zu malen. Die
älteste Glasmalerei war indes noch von
sehr primitiver Art und bestand zuerst in
einer musivischen Zusammensetzung und
Verbleiung gefärbter Glasstücke zu Or-
namenten und Figuren unter gleichzeitiger
Anwendung des Pinsels, um die inneren
Umrisse und Schatten hervorzubringen.
Dies geschah nur mit einer Farbe, dem
Schwarzlot (konkstrne simplices; Tep-
pichmuster; Grisaillen!). Vielleicht mag
die uns verschlossene Kunst der Alten,
die Gemälde mit Wachs einzubrennen,
die Anleitung zur eigentlichen Glas-
malerei gegeben haben?! Die frühesten
gemalten Fensterscheiben findet man
im 10. Jahrhundert in der 976 gebauten
St. Markuskirche zu Venedig von
 
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